Ende des vergangenen Jahres ist der frühere US-Präsident Jimmy Carter 100-jährig gestorben. Er war von 1977 bis 1981 der 39. Präsident der USA. Bekannt war, dass Carter und seine Frau Rosalynn begeisterte Fliegenfischer waren und auch während seiner Präsidentschaft liessen sie es sich nicht nehmen, wann immer es die Zeit erlaubte, ans Gewässer zu gehen.

Housi Schwab, passionierter Fischer aus St. Moritz, hat der EP/PL ein paar Seiten aus einer Biographie von Jimmy Carter zukommen lassen, in der dieser von einem Fischererlebnis in der Schweiz, konkret im Oberengadin berichtet. «Einige Tage später befanden Rosalynn und ich uns im Herzen der Schweizer Alpen, im schönen Urlaubsort St. Moritz. Es war noch früh in der Saison; das Palace Hotel öffnete für den Sommer am Tag unserer Ankunft. Wir hatten es geschafft, einen kurzen Besuch vor einer internatio­nalen Gesundheitskonferenz in Genf einzuschieben, in der Hoffnung, etwas bergsteigen und wandern zu können und am späten Nachmittag ein paar Stunden zu angeln», schreibt Carter. 

Bereits bei der Fahrt zum Hotel haben die beiden nach guten Fischgewässern Ausschau gehalten. Aufgefallen ist ihnen der klare Inn und der von den Gletschersedimenten milchig-weiss gefärbte Flaz. 

Bei einem Gang ins Sportgeschäft erfuhr das Ehepaar Carter, dass Forellen und Äschen in der Gegend reichlich vorhanden sind, die Angelvorschriften jedoch recht kompliziert und streng einzuhalten seien. Der Hotelmanager besorgte das Fischerpatent für 120 Franken, wie Carter schreibt, und brachte dieses zusammen mit den Fischereibetriebsvorschriften, «welch furchteinflössender Titel», so Carter, aufs Zimmer. «Die Komplexität war überwältigend: Es gab vorgeschriebene Zeiten für das Angeln in verschiedenen Gewässern, Arten von erlaubtem Angelgerät und eine kleine Karte dieser Schweizer Region mit mindestens hundert beschränkten Zonen.» 

Trotzdem gingen Jimmy und Rosalynn Carter ein paar Stunden fischen, vermutlich an den Gravatschasee, wo Carter eine 25 Zentimeter lange Bachforelle fing, die er wieder freiliess. 

Am nächsten Tag versuchten sie ihr Glück am Ausfluss des Lej da Champfèr bei Buocha da Sela. «Rosalynn band eine schwarze Ameise an, und ich entschied mich für eine kleine dunkle Hendrickson. Innerhalb weniger Minuten hatten wir zwei schöne Forellen und eine 45 Zentimeter lange Äsche gefangen. Wir beschlossen, sie für den Hotelkoch mitzunehmen und alle anderen, die wir fangen würden, freizulassen», schreibt er. 

Nach einer Weile kam eine Dame mit einem grossen Hund vorbei. Sie zeigte auf seine Angelrute, sprach Jimmy Carter auf Deutsch an und gab ihm freundlich zu verstehen, dass Fischen an diesem Ort verboten ist, was Carters nach längerem dann auch verstanden. 

«Wir verliessen den Ort mit unseren drei Fischen, die wir an diesem Abend mit Genuss verspeisten. Ich wollte nicht berechnen, was unser Essen gekostet hatte, obwohl ich schon oft viel mehr für deutlich weniger Fische ausgegeben habe», schreibt Carter in der Biografie. 

Diese Geschichte könnte sich im Mai 1977 ereignet haben, damals weilte Carter zu einem Besuch in Genf. Wer mehr weiss oder ihn damals sogar getroffen hat, darf sich gerne unter unten stehender Mail melden.

Autor: Reto Stifel 

r.stifel@engadinerpost.ch