Zuzeiten des Oberengadiner Kreisrates war die Beratung des Budgets des Spitals Oberengadin und des Pflegeheims jeweils ein zähes Ringen. Hier die Befürworter eines möglichst grosszügigen Angebotes, welches für eine periphere Tourismusregion unerlässlich ist, dort die Exponenten – vor allem die Gemeindepräsidenten, die vor einem ungezügelten Kostenwachstum warnen. Im Zuge der Gebietsreform wurde das Spital per 1. Januar 2018 in die Stiftung Gesundheitsversorgung Oberengadin (SGO) überführt. Anstelle einer jährlichen Defizitgarantie trat die Leistungsvereinbarung mit den Gemeinden der Region Maloja. In dieser ist festgehalten, welche Leistungen das Spital bereitstellt und welche Beiträge die Gemeinde an die ungedeckten Kosten übernehmen. 

 

Leistungsspektrum beibehalten

Dafür war in der Leistungsvereinbarung (LV) 2018 bis 2021 eine Beitragspauschale von jährlich 1,534 Mio. Franken für den Spitalbetrieb und 100 000 Franken für die Koordinationsstelle Alter und Pflege vereinbart. Da die LV anderenfalls Ende des Jahres ausläuft, soll sie nun um weitere vier Jahre verlängert werden. Die SGO empfiehlt den Gemeinden, das bestehende Leistungsspektrum beizubehalten und zusätzlich die Bereiche Wundambulatorium und Onkologie mitzufinanzieren. 

Das wird deutlich mehr Geld kosten. Konkret soll die Beitragspauschale der Gemeinden um 80 Prozent auf neu 2,75 Millionen Franken erhöht werden. Beibehalten wird der Betrag an die Koordinationsstelle Alter und Pflege, neu soll die Defizitgarantie von 100 000 Franken für die Spitex in die LV integriert werden. 

 

Fragen zu den Mehrkosten

Vor einer Woche wurde die neue LV dem St. Moritzer Gemeinderat präsentiert. Der Wunsch, das bisherige Leistungsangebot weiterführen zu können, wurde vom Gemeinderat geteilt. Fragen gab es zu den Mehrkosten. Dies, weil es in den letzten Jahren gelungen sei, die Beiträge der Gemeinden massiv zu senken. SGO-Verwaltungsratspräsidentin Gabriela Payer gab zu bedenken, dass sich die Rahmenbedingungen verändert hätten: Insofern, als der Trend vom stationären in den ambulanten Bereich mit nicht kostendeckenden Tarifen vorherrsche, es die Forderung nach möglichst hohen Fallzahlen über das ganze Jahr gebe, die in einem Spital in einer Tourismusregion mit seinen hohen saisonalen Schwankungen nicht erfüllt werden könnten oder die stark gestiegene Anforderungen an die Qualität und die Vorschriften, gerade im Bereich der Intensivpflege (IPS), in welchem entsprechend qualifiziertes Personal gefragt sei. 

«Wenn wir an 365 Tagen im Jahr während 24 Stunden einen funktionierenden Spitalbetrieb garantieren wollen, braucht das ein Minimum an Personal. Ob wir Patienten haben oder nicht», ergänzt Beat Moll, Direktor der SGO auf Anfrage der EP/PL. Zudem seien die Angebote des Spitals sehr spezifisch, und das Personal lasse sich nicht beliebig dorthin verschieben, wo es gerade nötig wäre. Auch lasse die aktuelle Situation mit Covid und die Bautätigkeit wenig kurzfristige Flexibilität zu. Es sei denn, man erwäge einen starken Leistungsabbau. «Das würde aber eine strategische Neuausrichtung bedingen und könnte zu möglichen Versorgungslücken führen», warnt er. 

 

Alle Stockwerke werden genutzt

Auch das Spital will seinen Teil zu tieferen Kosten beitragen, um die Defizite, die nicht durch die LV oder kantonale Beiträge gedeckt sind, auszugleichen. Sei es durch Effizienzsteigerungen oder neue Ertragsquellen. Letztere sollen im Rahmen der Strategie im nächsten Jahr evaluiert werden. Auf die Frage, ob die im letzten Jahr gescheiterte Kooperation mit der Klinik Gut nicht auch zur Effizienzsteigerung beigetragen hätte – die Klinik wollte sich im vierten Stock des Spitals einmieten – sagt Moll, dass die Mieteinnahme einen grossen Beitrag zur Quersubventionierung dargestellt hätte, dafür wären andere Erträge weggefallen. Zurzeit würden alle Stockwerke genutzt, und vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie sei man froh um diese Ausweichfläche. Zudem gibt er zu bedenken, dass ein Wettbewerb zwischen dem Spital und der Klinik in der Traumatologie und Orthopädie stattfinde. Im Rahmen der Leistungsvereinbarung gehe es aber um ganz andere Disziplinen.

 

Corona-Einflüsse nicht absehbar

Die neue Leistungsvereinbarung soll für die Zeit von 2022 bis 2025 abgeschlossen werden. Zuständig für die Genehmigung ist jede einzelne Gemeinde, die Gesamtkosten werden gemäss Regionenschlüssel (ohne Bregaglia) aufgeteilt. Dabei handelt es sich um ein eigentliches Kostendach, über die Leistungsvereinbarung hinausgehende Beträge sollten nicht anfallen. Nicht absehbar ist allerdings die Entwicklung der Corona-Pandemie mit möglichen Folgekosten. Diese hänge, so Moll, auch sehr stark von den Entscheiden des Kantons ab. Coronabedingte Mehrkosten werden gemäss Krankenpflegegesetz mehrheitlich vom Kanton getragen. Dieser bezahlt 90 Prozent, die Gemeinden 10 Prozent. 

 

Wohin fliesst das Geld?

Wie im Hauptbericht erwähnt, werden für den Spitalbetrieb von der Gemeinde verschiedene Angebote mitfinanziert.

Intensivpflegestation: bisher 335 000 Franken, neu 600 000 Franken. Für Gabriela Payer ist die IPS der «Ankerpunkt eines gesunden Gesundheitssystems». Pädiatrie/Geburtshilfe: Die Pädiatrie war jetzt schon im Leistungsauftrag enthalten, jedoch ohne Zuweisung von finanziellen Mitteln. Gemäss den SGO-Verantwortlichen ist eine professionelle Pädiatrie vor Ort von zentraler Bedeutung. Auch weil Kinderärzte im Oberengadin fehlen. Damit könne die pädiatrische Erstversorgung in der Region erbracht werden. Kostenpunkt: 300 000 Franken. Für die Geburtshilfe war bis jetzt ein Betrag von 725 000 Franken in der Leistungsvereinbarung fixiert, neu sind es 800 000 Franken. Ambulantes Wundambulatorium: Ist neu im Leistungsauftrag mit einem Betrag von 200 000 Franken. Ermöglicht eine professionelle Versorgung aller komplexen Wunden. Ist wichtig für die postoperative Behandlung, soll zu einem Kompetenzzentrum für Hausärzte, das Pflegeheim und die Spitex werden. Ambulante Onkologie: Ebenfalls neu im LV. Betroffene Personen müssen für die mehrmonatige Behandlung nicht nach Chur reisen. Bei einer Krebsdiagnose sind lange Reisezeiten beschwerlich, eine Rückreise nach der Behandlung am gleichen Tag oft nicht möglich. Weil die ambulanten Tarife bei steigender Nachfrage nicht kostendeckend sind, sollen die Gemeinden 450 000 Franken bezahlen.  

Autor: Reto Stifel

Foto: Daniel Zaugg