«Engadiner  Post/Posta  Ladina»: Peter Peyer, eben wurde bekannt, dass die St. Galler Spitalorganisationen wegen weniger Patienten und höherer Auslagen in finanzielle Engpässe kommen und auf kantonale Nothilfen angewiesen sein könnten. Und in Graubünden?
Peter Peyer*: Wir hatten schon im März beschlossen, dass wir die Spitäler für die coronabedingten Einnahmenausfälle, hervorgerufen durch das Verbot des Bundes für elektive Eingriffe, unterstützen werden. Der Kanton hat einen entsprechenden Kredit über netto 54 Millionen Franken gesprochen, wovon wir für die ersten vier Monate knapp 23 Millionen gebraucht haben. Ich glaube, wir sind da sehr gut unterwegs, zumal auch die Spitäler wieder gut ausgelastet sind. Trotzdem ist es wichtig und richtig, dass wir die Spitäler unterstützen, denn letztlich geht es darum, die dezentrale Gesundheitsversorgung aufrechtzuerhalten. Das haben wir mit dieser Unterstützung auch signalisiert.

Sie besuchten heute die Klinik Gut in St. Moritz. Ihr Fazit?
Die Klinik Gut hat als Privatklinik ein wenig einen Sonderstatus inne und hat auch keine kantonalen Unterstützungsgelder in Anspruch genommen. Natürlich war es auch für die Klinik Gut mit ihren verschiedenen Standorten im Kanton eine schwierige Zeit. Die Klinik Gut hat aber mit der kürzlich publik gewordenen Zusammenarbeit mit dem Spital Oberengadin in Samedan gezeigt, dass sie ein wichtiger Partner ist in der Bündner Spitallandschaft. Solche Formen der Zusammenarbeit wollen wir zukünftig stärker fördern, weil wir denken, dass wir nur so auch weiterhin ein dezentrales Spitalangebot im Kanton bewahren können.

Gibt es schon weitere, vergleichbare Konstellationen solcher Zusammenarbeit?
Unseres Wissens nicht. Deshalb hat dieses Projekt auch ein wenig Modellcharakter und könnte, so unsere Meinung, auch andernorts funktionieren.

Die Corona-Pandemie hat keinen Stein auf dem anderen gelassen. Abgesehen von der Maskenpflicht im öV scheint Corona heute aber weitgehend verdrängt. Ist die Pandemie schon vorbei?
Aus epidemiologischer Sicht ist sie keinesfalls vorbei. Wir verzeichnen gesamtschweizerisch wieder einen Anstieg der Fallzahlen und in Graubünden sind diese Zahlen stark schwankend. Das zeigt, es braucht eine kleine Unvorsichtigkeit, und schon haben wir wieder ein schnelles Ansteigen der Zahlen. So gesehen sind wir mittendrin in der Pandemie und nicht über dem Berg.

Wohl gerade auch im Hinblick auf die Lockerung der 1000er-Grenze bei Grossveranstaltungen in fünf Wochen?
Genau, das ist eine grosse Herausforderung und wir müssen schauen, dass wir die nötigen Schutzkonzepte dafür haben um die Fallzahlen weiterhin im Griff zu behalten. In Graubünden wird entscheidend sein, wie die Wintersaison verlaufen wird. Wir sind bekanntermassen touristisch sehr stark abhängig vom Winter. Die Frage wird sein, kommen die Gäste überhaupt, und wenn ja, wie können wir den Betrieb aufrechterhalten unter Wahrung der nötigen Hygieneregeln?

Und wie lautet Ihre Prognose?
Dieser Tage hat sich die Gesundheitsdirektorenkonferenz mit Vertretern des BAG und Bundesrat Alain Berset zur Aussprache getroffen. Der Bund hat ja versprochen, dass er zusammen mit den Kantonen verbindliche Eckwerte festlegen wird. Falls das nicht klappt, werden wir selber gefordert sein, das für Graubünden zu tun. Nur so bekommen die Veranstalter von Grossanlässen die nötige Planungssicherheit. Gerade im Hinblick auf Sportveranstaltungen wird uns aber ein herausfordernder Winter bevorstehen, auch wenn wir dabei natürlich auf die bisher gemachten Erfahrungen zurückgreifen können.

Apropos Erfahrungen. Wie sehen diese mit der Corona-App aus?
Die App ist vom Bund und hilft mit aufzuzeigen, wenn jemand sich über einen gewissen Zeitraum in der Nähe einer später positiv getesteten Person aufhält. So gesehen ist die App sinnvoll und ein ergänzendes Hilfsmittel. Schade, dass sie auf älteren Betriebssystemen nicht läuft. Auf Kantonsebene haben wir eine App, die wir einsetzen, wenn wir jemanden in Quarantäne oder Isolation setzen müssen. Sie hilft unterstützend im Alltag, weil sie allen Beteiligten, von der betroffenen Person, deren Umfeld bis hin zu den Contact-Tracern bei der gegenseitigen Kommunikation hilft. Wir müssen aber daran denken, dass es nicht die eine einzelne Massnahme ist, die hilft, sondern der Verbund der Massnahmen.

Zum Beispiel ...?
... nur Maske tragen, wenn man sich die Hände nicht mehr wäscht, nützt nichts. Distanz einhalten ohne die restlichen Hygienemassnahmen zu befolgen oder nur die App haben, aber keine Maske tragen, wenns eng wird in einem Raum ebenso. Es ist immer die Kombination der verschiedenen Massnahmen, die uns hilft einen einigermassen normalen Alltag verbringen zu können. Da ist es natürlich im Moment noch ein Testen und Abwägen, was wirklich hilft und erlaubt, sich möglichst uneingeschränkt bewegen zu können.

Gutes Stichwort. Im Oberengadin wurde in diesen Tagen der Fall einer ausländischen Profisportlergruppe bekannt, die ohne offensichtliche Einhaltung der Quarantäneregeln hier wohnt, trainiert und sich auf einen Wettkampf vorbereitet. Verstehen Sie den Frust der Bevölkerung, die sich im Gegensatz dazu und bei Busse an Quarantäneregeln halten muss, wenn sie aus Ferien in Risikoländern zurückkehrt?
Da gibt es doch einige Missverständnisse und Falschmeldungen, die es zu korrigieren gibt. Erstens dürfen wir grundsätzlich festhalten, wir haben nie jemanden eingesperrt. Man darf und durfte sich hier immer frei bewegen, im Gegensatz beispielsweise zum benachbarten Ausland wo Menschen monatelang zu Hause bleiben mussten. Das gilt nach wie vor. Wir haben die Anfragen von Veranstaltern und wollen ja nicht alles verbieten, sondern Veranstaltungen möglichst erlauben. So ist auch der erwähnte Sportanlass ein erlaubter Anlass. Grundsätzlich müssen die Veranstalter die Schutzkonzepte erstellen und umsetzen während die Gemeinden für die Kontrolle der Umsetzung dieser Massnahmen verantwortlich sind. Also nicht der Kanton.

Und konkret auf die Sportler bezogen?
Diese Sportlergruppe ist tatsächlich in Quarantäne, profitiert aber von einzelnen Erleichterungen, die wir ihr zugestanden haben, damit sie überhaupt trainieren kann. Es ist in der Verantwortung des Kantons, solche Anfragen individuell zu prüfen. Ansonsten müssten wir konsequenterweise von vornherein alles verbieten. Das glaube ich, wäre weder im Interesse der Bevölkerung noch der Wirtschaft oder des Tourismus. Aber es ist für uns klar, wir übernehmen da Verantwortung und stehen auch dazu. Bei der Information der Gemeinden können wir uns aber zugegebenermassen noch verbessern. Diesen Punkt schauen wir uns intern noch an, auch wenn die Gemeinden regelmässig mit aktuellen Lagerapporten und regionalen Fallzahlen bedient werden.

*Der SP-Regierungsrat Peter Peyer aus Trin ist seit Januar 2019 Vorsteher des Departements für Justiz, Sicherheit und Gesundheit (DJSG).

Autor und Foto: Jon Duschletta