03.07.2017 Franco Furger 6 min
Foto: Franco Furger

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Auf 2731 Meter Höhe sind die Gäste richtig gut drauf. Das liegt wahrscheinlich an den Glückshormonen, die ins Fliessen kommen, sobald sie auf die Terrasse der Segantinihütte treten: Puh, endlich oben angekommen! Wow, was für eine Aussicht! Wenn das erste Hochgefühl am Abklingen ist, kommen meist Hunger- und Durstgefühle auf. Und so ist es für den Hüttenbuben ein Leichtes noch ein Würstchen zur Suppe und eine Himbeerwähe zum Kaffee zu verkaufen.

Nach dem Essen haben die Gäste dann oft Fragen. Zum Beispiel: „Wo sind eigentlich die Steinböcke?“ – „Also gestern, da grasten zehn mächtige Böcke gleich dort drüben; aber heute sind sie leider woanders. Vielleicht sind sie morgen wieder hier.“ Oder: „Kann ich bitte noch meine Trinkflasche mit Wasser auffüllen lassen?“ – „Nein, tut mir leid, hier oben haben wir leider kein Trinkwasser.“ 

Auf Berghütten ist Wasser ein knappes Gut. Warmes Wasser erst recht, da es zuvor mit kostspieligem Gas abgekocht werden musste. Die tägliche Reifeprüfung im Wasserhaushalten ist der Abwasch: Wie kriege ich mit möglichst wenig Heisswasser alles perfekt sauber? Und zwar so, dass keine Lauchreste an den Suppenschüsseln und Eigelbfetzen an den Gabeln kleben bleiben. Anfangs Saison erfolgt die Wasserversorgung der Segantinihütte mittels Dachrinnenwasser, das in Eimern gesammelt wird. In der Saison steht dann glücklicherweise auch Quellwasser zur Verfügung. Jedoch liegt die Quelle rund 4 km weit entfernt am Fusse des Piz Languard auf einer 23 Meter höhergelegenen Ebene.

Und wie kommt das Wasser von da bis in die Hütte? Eine Lektion in praktischer Physik bekam der Hüttenbub, als er mit Hüttenwart Anselm die Wasserleitung anschliessen durfte. Zuerst ersetzten wir in der Quellfassung den grossen Plastikbottich, der alte war im Herbst kaputt gegangen, und schraubten den Schlauch an das Gewinde am Bottichboden. So weit, so einfach. Doch anschliessend mussten wir die gesamte Leitung auf undichte Stellen kontrollieren. Das bedeutet, wir liefen fünf Stunden lang durch unwegsames, steiles und steinschlaggefährdetes Gelände. Das Ganze dauerte so lange, weil wir die Leitung zusätzlich alle 50 Meter entlüften mussten, was jedes Mal fünf bis zehn Minuten dauerte. Kurz vor dem Eindunkeln war auch der letzte Abschnitt entlüft und der 600 Liter Tank unter dem Hüttendach angeschlossen. Und tatsächlich: Am nächsten Morgen war der Tank gefüllt und endlich gab es fliessend Wasser in der Küche. Faszinierend, wie man Wasser kilometerweit durch einen dünnen Schlauch leiten und dabei Höhen und Senken wie von Zauberhand überwinden kann. Möglich ist dies dank „kommunizierenden Gefässen“ und „hydrostatischem Paradoxon“, wie mir Wikipedia erklärt: Sind zwei Gefässe miteinander verbunden, so ist der Wasserspiegel in den beiden Gefässen auf gleichem Niveau, egal welche Form die Gefässe haben. Deshalb kann ein kleiner Wasserbottich bei der Quelle einen grossen Tank in der Hütte füllen.

Na also, das Wasser fliest. Und warum bekommt der Gast trotzdem kein Wasser in seine Trinkflasche gefüllt? Dies verbietet das Lebensmittelgesetz, das auch oberhalb von 2700 Metern gilt und kontrolliert wird. Es besagt: Wasser darf nur abgekocht, als Suppe oder Tee, oder verpackt, als Passugger oder Bier, abgegeben werden. Ausserdem: Das fliessende Wasser kann jederzeit versiegen, wenn es wie letzte Woche gefriert oder ein Stein ein Loch in die Leitung schlägt. Dann sind wieder langwierige Spaziergänge im Gelände angesagt. Immerhin, die Aussicht ist dabei stets top.
Auf 2731 Meter Höhe sind die Gäste richtig gut drauf. Das liegt wahrscheinlich an den Glückshormonen, die ins Fliessen kommen, sobald sie auf die Terrasse der Segantinihütte treten: Puh, endlich oben angekommen! Wow, was für eine Aussicht! Wenn das erste Hochgefühl am Abklingen ist, kommen meist Hunger- und Durstgefühle auf. Und so ist es für den Hüttenbuben ein Leichtes noch ein Würstchen zur Suppe und eine Himbeerwähe zum Kaffee zu verkaufen.

Nach dem Essen haben die Gäste dann oft Fragen. Zum Beispiel: „Wo sind eigentlich die Steinböcke?“ – „Also gestern, da grasten zehn mächtige Böcke gleich dort drüben; aber heute sind sie leider woanders. Vielleicht sind sie morgen wieder hier.“ Oder: „Kann ich bitte noch meine Trinkflasche mit Wasser auffüllen lassen?“ – „Nein, tut mir leid, hier oben haben wir leider kein Trinkwasser.“

Auf Berghütten ist Wasser ein knappes Gut. Warmes Wasser erst recht, da es zuvor mit kostspieligem Gas abgekocht werden musste. Die tägliche Reifeprüfung im Wasserhaushalten ist der Abwasch: Wie kriege ich mit möglichst wenig Heisswasser alles perfekt sauber? Und zwar so, dass keine Lauchreste an den Suppenschüsseln und Eigelbfetzen an den Gabeln kleben bleiben.

Anfangs Saison erfolgt die Wasserversorgung der Segantinihütte mittels Dachrinnenwasser, das in Eimern gesammelt wird. In der Saison steht dann glücklicherweise auch Quellwasser zur Verfügung. Jedoch liegt die Quelle rund 4 km weit entfernt am Fusse des Piz Languard, auf einer 23 Meter höhergelegenen Ebene.

Und wie kommt das Wasser von da bis in die Hütte? Eine Lektion in praktischer Physik bekam der Hüttenbub, als er mit Hüttenwart Anselm die Wasserleitung anschliessen durfte. Zuerst ersetzten sie in der Quellfassung den grossen Plastikbottich, der alte war im Herbst kaputt gegangen, und schraubten den Schlauch an das Gewinde am Bottichboden. So weit, so einfach. Doch anschliessend mussten sie die gesamte Leitung auf undichte Stellen kontrollieren. Das bedeutet, sie liefen fünf Stunden lang durch unwegsames, steiles und steinschlaggefährdetes Gelände. Das Ganze dauerte so lange, weil sie die Leitung zusätzlich alle 50 Meter entlüften mussten, was jedes Mal fünf bis zehn Minuten dauerte. Kurz vor dem Eindunkeln war schliesslich der letzte Abschnitt entlüft und der 600 Liter Tank unter dem Hüttendach angeschlossen. Und tatsächlich: Am nächsten Morgen war der Tank gefüllt und endlich gab es fliessend Wasser in der Küche.

Faszinierend, wie man Wasser kilometerweit durch einen dünnen Schlauch leiten und dabei Höhen und Senken wie von Zauberhand überwinden kann. Möglich ist dies dank „kommunizierenden Gefässen“ und „hydrostatischem Paradoxon“, wie Wikipedia erklärt: Sind zwei Gefässe miteinander verbunden, so ist der Wasserspiegel in den beiden Gefässen auf gleichem Niveau, egal welche Form die Gefässe haben. Deshalb kann ein kleiner Wasserbottich bei der Quelle einen grossen Tank in der Hütte füllen.

Na also, das Wasser fliest. Und warum bekommt der Gast trotzdem kein Wasser in seine Trinkflasche gefüllt? Dies verbietet das Lebensmittelgesetz, das auch oberhalb von 2700 Metern gilt und kontrolliert wird. Es besagt: Wasser darf nur abgekocht, als Suppe oder Tee, oder verpackt, als Passugger oder Bier, abgegeben werden. Ausserdem: Das fliessende Wasser kann jederzeit versiegen, wenn es wie letzte Woche gefriert oder ein Stein ein Loch in die Leitung schlägt. Dann sind wieder langwierige Spaziergänge im Gelände angesagt. Immerhin, die Aussicht ist dabei stets top.

Franco Furger

Franco Furger ist in Pontresina aufgewachsen und hat am Lyceum Alpinum Zuoz die Matura absolviert. Danach tourte er als Profi-Snowboarder um die Welt und liess sich zum Journalisten ausbilden. Er arbeitete als Medienkoordinator bei Swiss Ski, Redaktor bei der Engadiner Post und World Cup Organisator bei der Corvatsch AG. Im Sommer 2017 bloggte Franco über seine Erlebnisse als «Chamanna Segantini-Hüttenbub». Die Liebe führte ihn dann in die Stadt Luzern, wo er die Sonne und die Bündner Berge vermisste. Nun lebt er als freischaffender Texter mit Frau und Sohn in Laax.