18.04.2017 Ruth Bossart 3 min
Foto: Ruth Bossart

Foto: Ruth Bossart

Wenn es bei uns hier in Istanbul regnet, ist es nicht lustig. Denn: die Abwasserleitungen sind nicht richtig verlegt und darum drückt es die Brühe bei starkem Regen in die falsche Richtung. Die Konsequenz: es stinkt zum Himmel und  in den Badezimmern und damit natürlich in der ganzen Wohnung.  
An der Anzahl und Vielfalt der Boutiquen, die Duftkerzen, Duftstäbchen und Sprays anbieten (Meerbrise, Schokovanille, Herbstrose....) lässt sich ablesen, dass dieses Problem nicht nur unser Haus betrifft. Inzwischen kenne ich gar eine ausländische Familie, die ihre Kartonschachteln gar nicht erst auspackte und gleich wieder weiterzog, in eine andere Wohnung, da es im neuen Appartement immer  roch – auch bei Sonnenschein. 
Dass auch sogenannt gewollte Gerüche  aufsässig sein können, erfuhr ich kürzlich in einem Hotel. Bereits in der Lobby prallte ich in eine Parfumwolke, die mich  kurz den Atem anhalten liess. Das beissende Vanille des Raumerfrischers  war schwer zu ertragen. Die gleiche Duftnote auch auf dem Zimmer. Zum Glück liessen sich die Fenster öffnen.  
Dass ich ein Nasenmensch geworden bin, verdanke ich meiner Mutter. Sie hat mich schon als Kleinkind immer wieder auf Düfte aufmerksam gemacht. Sie ermunterte mich, an Blumen zu riechen oder an der neuen Ledermappe meines Vaters. Und sie sagte uns, dass nun der Südwind wehe, als wir den Hefegeschmack der Bierbrauerei riechen konnten. Sie liess uns an im Wind getrockneter Wäsche zu schnuppern oder an der Kommode in unserer Ferienwohnung. Natürlich  war die aus Arvenholz. 
 Mit wacher Nase durch  Istanbul, einer Grossstadt mit 17 Mio. Einwohnern, zu wandeln kann trotz Verkehr, und fehlerhafter Kanalisationen eine spannende Erfahrung sein. Eine Geschmacksexplosion erlebt man am Gewürzbazar, einem Jahrhunderte alten Markt, auf dem nicht nur 20 verschiedene Sorten Paprika und Pfeffer angeboten werden sondern auch Exotisches und Teures wie einzelne Safranfäden oder Rosenblättertee. Die Verkäufer präsentieren ihre Ware in Gläsern oder bauen sie zu Berge auf – in allen Farben, mit scharfen Kanten und rechten Winkeln und in verschiedenen Formen. Die Käufer – weibliche und männliche – nehmen sich Zeit, schnuppern an den Töpfen und Bergen, ab und zu probieren sie auch eine Löffelspitze. Dazwischen immer wieder ein Hauch vom nahen Kafferöster. Die Hallen sind  geschwängert mit all den Düften – aber niemals sind sie so aufsässig wie die modernen Raumerfrischer.  
Übrigens: Die effektivste Kur gegen unsere stinkenden Abläufe fand ich auch auf diesem Gewürz-Bazar. Ein alter Mann bot auf 2 Meter langen Fäden Ketten an, auf denen Nägeli-Köpfe aufgezogen waren. Ein Hausmittel aus Zeiten der Sultane, meinte er. Offenbar sind stinkende Abflussrohre keine Erfindung der Neuzeit.

Ruth Bossart

Ruth Bossart ist Historikerin und lebt mit ihrem Mann und Sohn Samuel seit diesem Frühjahr in Bern. Zuvor berichtete sie für das Schweizer Fernsehen aus Indien. Laufen, Ski- und Velofahren gelernt hat Samuel in Pontresina und Zuoz, bevor die Familie 2010 nach Singapur und später in die Türkei zog. Jedes Jahr verbringen die Drei aber immer noch mehrere Wochen im Engadin – nun nicht mehr als Einheimische, sondern als Touristen.