19.02.2017 Ruth Spitzenpfeil 3 min

Der Neue

Ich habe ihn getroffen. Den Mann, auf den viele im Engadin neugierig sind, dessen Ankündigung aber auch so manches Stirnrunzeln ausgelöst hat. Ein Tiroler als neuer CEO von Engadin-St. Moritz, ist das eine gute Idee? Und noch dazu einer, der davor beim direkten Konkurrenten Kitzbühel geschafft hat, davor in Lech am Arlberg. «Gibt es denn für diesen Top-Job keinen Eidgenossen, der Tourismus kann?» fragte sogar ein deutsches Branchenblatt. Gerhard Walter überzeugte aber offenbar den gesamten Vorstand der Destination restlos. Der muss ganz schön etwas draufhaben, dachte ich mir.Meine Chance bot sich während den Ski-WM. Auch wenn Walter sein Amt erst im Mai antritt, wird er sich doch wohl einmal am Event des Jahrzehnts in St. Moritz sehen lassen, so meine Kalkulation. Tatsächlich habe ich ihn vorletzte Woche treffen und mich dann eine ganze Weile mit ihm unterhalten können in der St. Moritzer iLounge. Allerdings durfte ich nichts zur künftigen Strategie der Organisation fragen; das wollte Marcus Gschwend, der VR-Präsident der neuen Tourismus AG nicht. Dafür sei es jetzt noch zu früh. Deshalb verrate ich hier jetzt nur ganz persönliche Sachen – wie es sich für diesen Blog gehört. Also: Der Mann sieht flott aus, macht etwas her. Ich würde sagen, stilmässig schon eine Veränderung zu Ariane Ehrat. Ich kann mir zum Beispiel nicht vorstellen, dass er nur im Einheits-Pullover auftreten würde, so wie dies seine Vorgängerin im letzten Jahr ausschliesslich gemacht hat. Natürlich ist er charmant; das erwartet man von einem Österreicher. Aber auch wenn er eine ganze Weile in Wien gelebt hat, ist es nicht diese Schmeichler-Freundlichkeit.  Er hat sich die Kantigkeit des Berglers bewahrt.

Den Inn rauf und runter

Kommt er mit Familie? Die gibt es; es ist aber eher die fröhliche Patchwork-Variante, wie er es ausdrückt. Er hat eine Lebenspartnerin, von der er immer als «geliebte Gefährtin» spricht, was doch sehr schön klingt, nicht wahr? In die neue Wohnung in Pontresina wird sie aber nicht auf Dauer einziehen, sondern ihren Lebensmittelpunkt in Tirol behalten. «Es ist ja nur den Inn rauf und runter», meint Gerhard Walter und sieht die Distanz nicht als Problem.

Nur ein Pass dazwischen

Wie geht er die Aufgabe an? Eines spürt man deutlich: Er freut sich mächtig auf St. Moritz. Alles, was er mache, mache er zu 100 Prozent, sagt er. «Ich kann gar nicht anders». Jetzt saugt er alles an Eindrücken und Informationen auf, die er nur bekommen kann über seine neue Heimat. In den 13 Jahren als junger Tourismusdirektor von Galtür, wo er auch aufgewachsen ist, war er dem Engadin räumlich schon sehr nahe gewesen. Die beiden Täler trennt nur ein siebenstündiger Fussmarsch über den Futschölpass. Mit Ardez und dem Unterengadin habe man regelmässigen Austausch gepflegt. Einmal sei auch Hanspeter Danuser bei ihm aufgetaucht, erinnert er sich.Doch trotz der fernen Verwandtschaft – Galtür wurde in Urzeiten von Rätoromanen besiedelt – ist Walter ein ziemlich unbeschriebenes Blatt, was das Engadin und was vor allem St. Moritz betrifft. Und das ist vielleicht auch gut so. Er geht das schwierige Amt völlig unbefangen an, hat keine Ahnung von möglichen Fallstricken, widrigen Kräfteverhältnissen und mühsamen Altlasten. Er ist frisch und voller Energie. Auch die bekannten Vorurteile gegenüber Schweizer Gastfreundlichkeit lässt er nicht gelten. Grad gestern im Bahnhofsbuffet sei er super-freundlich bedient worden, stellte er fest. Das ist doch schon mal ein guter Anfang.

Ruth Spitzenpfeil

Pendlerin zwischen Zürich und dem Engadin, die ihr Büro nicht selten in der Rhätischen Bahn aufschlägt. Sie arbeitet seit 35 Jahren als Journalistin, davon die meiste Zeit bei der Neuen Zürcher Zeitung. Dort galt sie als die inoffizielle Engadin-Korrespondentin, hat unzählige Geschichten im Tal recherchiert und Filmbeiträge produziert. Bekannt wurde sie auch mit ihrem Video-Blog «In fremden Federn», einer Serie von witzig-kritischen Hoteltests.