26.02.2025 Franco Furger 5 min
Foto: Alessandro Belluscio

Foto: Alessandro Belluscio

Sind Sie bereit für die Freestyle-WM im Engadin, die am 19. März beginnt? Ich hoffe, es wird ein grosses Spektakel mit vielen Zuschauern und tollen TV-Bildern. So wie kürzlich in Lenzerheide an der Biathlon-WM. 

Als Snowboarder, der in den 1990er-Jahren Freestyle-Wettkämpfe bestritt, blicke ich immer ein wenig neidisch auf die Biathleten. Denn diese haben einen eigenen Verband, obwohl sie Skis an den Füssen tragen. Der Weltcup und die WM werden nicht etwa vom Internationalen Skiverband (FIS) organisiert, sondern von der Internationalen Biathlon Union (IBU). Und diese macht das ganz hervorragend, soweit ich das beurteilen kann. Die Randsportart Biathlon zieht jedenfalls viel Publikum und Sponsoren an, die WM in Lenzerheide war auch finanziell ein voller Erfolg.

In den 1990er-Jahren hatten wir Snowboarder auch unseren eigenen Verband. Die International Snowboarding Federation (ISF) organisierte die World Series und auch Weltmeisterschaften. Engadiner Snowboarder wie Reto Lamm, Michi Albin, Therry Brunner oder Martina Tscharner feierten Erfolge in der Halfpipe, während die Gebrüder Cla und Fadri Mosca beide Weltmeister im Riesenslalom wurden. 

Snowboarden zog viel Publikum und Sponsoren an – und damit auch das Interesse des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Dieses wollte die Brettsportler an Olympia sehen und beauftragte die Funktionäre der FIS, mit denen man gut vertraut war, mit der Durchführung der Wettkämpfe. Dem wilden Snowboard-Verband traute man es nicht zu. Leider.

Der Kampf um Aufmerksamkeit
So fand Olympia 1998 zum ersten Mal mit Snowboard-Disziplinen statt. Gian Simmen gewann sensationell die Goldmedaille in der Halfpipe. Seine Moves und Tricks flimmerten über Millionen von Fernsehschirmen. Doch der Snowboardsport zerrieb sich am olympischen Glanz. Es begann ein Zermürbungskampf zwischen unabhängigen Veranstaltern und der FIS. «Von Snowboardern für Snowboarder», lautete das Motto, doch die FIS hatte den längeren Atem. 

Dass der Snowboard-Weltcup und die WM vom Skiverband ausgetragen werden, bleibt für mich ein Trauerspiel. Natürlich sind heute gute Leute bei der FIS; trotzdem glaube ich, dass sich Snowboarden unter einem eigenständigen Verband besser, innovativer und erfolgreicher entwickelt hätte. Denn innerhalb der FIS bleibt Snowboarden – und auch Freeski – nebensächlich. Es geht vor allem um Ski alpin und Ski alpin. Selbst Skispringer und Langläuferinnen beklagen sich zuweilen über die Vormachtstellung des Alpinen. Die Kritik an der FIS ist beständig und kommt von allen Seiten.

Übrigens: National ist Biathlon unter dem Dach von Swiss-Ski organisiert. Das macht Sinn, um Synergien bestmöglich zu nutzen, bei der Athletenbetreuung, der Trainerausbildung, der Nachwuchsförderung etc. Aber Wettkämpfe werden von einem Verband durchgeführt, der sich voll und ganz auf eine Sportart konzentrieren kann: Biathlon.

Zu viele Disziplinen?
Die Freestyle-WM hingegen ist ein Sammelsurium von Sportarten mit ganz unterschiedlichen Geschichten und Hintergründen. Da sind zum einen die Traditionalisten. Sie fahren Buckelpiste und springen über Aerials-Schanzen (Skiakrobatik). So sah Freestyle aus, bevor Snowboarden aufkam, irgendwie wirken diese Disziplinen wie aus der Zeit gefallen. 

Dann gibt es das moderne Freestylen: Halfpipe, Slopestyle und Big Air. Es wurde von Snowboardern entwickelt und von Freeskiern erfolgreich übernommen. Das ist, was man gemeinhin unter Freestyle versteht. In der Luft hat man keine gestreckte Haltung, sondern verdreht sich und greift ans Board oder den Ski. Es geht um Style und Kreativität, um den Spirit, den Snowboarden ausgelöst hat und der nicht wirklich zur FIS passt. 

Und seltsamerweise gehören auch Racing-Disziplinen zum Freestyle-WM-Potpourri. Skicross und Snowboardcross sind hochspektakulär, der Kampf Mann gegen Mann, Frau gegen Frau fasziniert, aber mit Freestyle hat er an und für sich nichts zu tun. Auch die Athleten selber verstehen sich als Rennläufer, die lieber bei der Ski-Alpin-WM dabei wären. Und Snowboard alpin ist nochmals eine ganz andere Sportart, die aufzeigt, dass Parallel-Bewerbe auf Schnee bestens funktionieren, aber kein Freestyle ist.

Eigentlich eine Doppel-WM
In dieser Form gibt es die «Freestyle-WM» seit 2015. Die FIS legte die Freestyle-Skiing- und Snowboard-WM zusammen, um mehr Gewicht und Aufmerksamkeit zu erhalten. Das Problem dabei: Die so unterschiedlichen Sportarten kannibalisieren sich, das Interesse der Sponsoren bleibt bescheiden. Die lokalen Organisatoren dagegen haben einen immensen logistischen Aufwand zu bewältigen. Der Bau der komplexen Wettkampfanlagen ist teuer, benötigt Massen an Schnee, Knowhow und viele helfende Hände. Zudem ist der Zeitplan mit Trainings, Qualifikationsläufen und 30 (!) Medaillen-Entscheidungen extrem gedrängt, Wetterkapriolen haben darum schon manche Freestyle-WM vereitelt. Es ist eine Herkulesaufgabe, die fast nicht zu stemmen ist. Auch im eventerprobten Engadin läuft man am Limit. 

Ein grosses Spektakel wird die Freestyle-WM gleichwohl. Denn so viel hochklassigen Actionsport hat man unter Engadiner Himmel noch nie gesehen. Den Athletinnen und Athleten wünsche ich verletzungsfreie Wettkämpfe und den Organisatoren viel Kraft und vor allem Wetterglück. Dieses wird dringend benötigt, damit die Freestyle-WM zum Erfolg werden kann. Das Engadin hat im März 2025 die Chance zu zeigen, dass es alle Wintersportarten meisterlich beherrscht – auch Freestyle. Ich freue mich darauf.

Franco Furger

Franco Furger ist in Pontresina aufgewachsen und hat am Lyceum Alpinum Zuoz die Matura absolviert. Danach tourte er als Profi-Snowboarder um die Welt und liess sich zum Journalisten ausbilden. Er arbeitete als Medienkoordinator bei Swiss Ski, Redaktor bei der Engadiner Post und World Cup Organisator bei der Corvatsch AG. Im Sommer 2017 bloggte Franco über seine Erlebnisse als «Chamanna Segantini-Hüttenbub». Die Liebe führte ihn dann in die Stadt Luzern, wo er die Sonne und die Bündner Berge vermisste. Nun lebt er als freischaffender Texter mit Frau und Sohn in Laax.