Im vergangenen März machte ich einen Ausflug auf den Corvatsch. Ich hatte vor, bis auf 3302 Meter zur Bergstation zu fahren und den Tag mit dem Snowboard auf der Piste zu verbringen: Eine Abfahrt nach der anderen, Kurve um Kurve, hie und da vielleicht ein kleiner Hüpfer.
Aber dann stand ich in der Gondel zur Mittelstation und plötzlich blieb mir der Atem weg. Eben war ich noch, wie viele Male zuvor, über die Oberengadiner Baumwipfel geschwebt und hatte darüber nachgedacht, wie schön meine Heimatregion ist. Aber dann sah ich, was ich an dem Tag nicht erwartet hatte: die Halfpipe.
Natürlich hatte ich gehört, dass es im Oberengadin auf die Freestyle-Weltmeisterschaften hin eine neue Halfpipe geben wird. Nun aber war ich ergriffen von dem, was ich sah: lasergerade Kanten, meterhohe Wände, steiles Gefälle. Sofort sah ich, dass das eine perfekte Anlage ist – und dass die Snowboarderinnen und Freeskier, die über der Halbröhre in der Luft hingen, zu den besten der Welt zählten. Einige erkannte ich noch an ihrem Fahrstil, obwohl wir uns jahrelang nicht gesehen hatten.
Bis 2014 gehörte ich zu ihrem Kreis: Ich war viele Jahre Mitglied im Schweizer Halfpipe-Nationalteam, 2011 gewann ich an den Weltmeisterschaften eine Silbermedaille. Aber die Male, die ich seit meinem Rücktritt in der Halfpipe war, kann ich an einer Hand abzählen. Es kam immer irgendetwas dazwischen: Studium, Schwangerschaften, Job. Und so wurde die Halfpipe, in der ich vorher mein halbes Leben verbrachte, mit jedem Jahr etwas mehr zu einer Erinnerung.
Jetzt aber konnte ich es nicht lassen. Ich hastete in der Mittelstation aus der Gondel, schnallte mein Brett an und fuhr in Richtung Halfpipe. Dort stand eine Helferin vor einer Absperrung und erklärte mir, es finde gerade ein Privattraining mit den besten Freestylern der Welt statt. Sie sagte: «Für Touristinnen ist die Halfpipe aktuell geschlossen.»
Ich hatte Glück: Ein ehemaliger Trainer erkannte mich und hielt die Helferin an, mich reinzulassen.
Was dann folgte, war – sagen wir es mal so – nicht gerade meisterlich. Ich fuhr zwar in die Halfpipe, als wäre mein letzter Lauf gestern gewesen. Aber dann drückte die Wand meinen mässig trainierten Körper zusammen wie eine Handorgel. Das Fahrtempo fühlte sich höllisch schnell an und ich schaffte es nicht, das Brett flach zu stellen und zu warten, bis es die Halfpipe verlässt. Noch in der Wand drehte ich ab. So ging es fünf peinliche Sprünge lang, dann musste ich den Lauf mit völlig übersäuerten Beinen abbrechen.
Unten angekommen, beobachtete ich, wie die besten Snowboarder der Stunde Sprünge übten, von denen man zu meiner Zeit noch träumte: drei Überkopfschrauben mit vier Drehungen kombiniert, sechs Meter über der Kante.
Sofort erinnerte ich mich: Die Halfpipe verlangt enorme technische Präzision. Wenn die Fahrlinie und das Timing beim Auslösen der Sprünge nicht perfekt sind, landet man auf der Kante – oder im Loch. Wenn ein Trick nicht gelingt, hat man nur wenige Fahrmeter, um sich zu sammeln und den nächsten Sprung vorzubereiten. Halfpipe-Fahren ist ein wenig wie ein Dominospiel: Ein Sprung stösst den nächsten an, jeder Trick muss sitzen, alles geht sehr schnell.
Seit meiner Testfahrt in der Halfpipe am Corvatsch bin ich ein wenig nervös, wenn ich an die anstehenden Weltmeisterschaften denke. Denn mir wurde klar: Weil sie technisch so anspruchsvoll sind und das Niveau nie höher war, sind Disziplinen wie die Halfpipe – aber auch Big Air, Ski Cross oder Aerials – gerade enorm spektakulär. Engadinerinnen und Engadiner sollten sich diese Show nicht entgehen lassen. Auch ich werde an der Heim-WM dabei sein – als Touristin, versteht sich.
Ursina Haller ist in Zernez aufgewachsen und lebt heute mit ihrer Familie in Mels.
Aber dann stand ich in der Gondel zur Mittelstation und plötzlich blieb mir der Atem weg. Eben war ich noch, wie viele Male zuvor, über die Oberengadiner Baumwipfel geschwebt und hatte darüber nachgedacht, wie schön meine Heimatregion ist. Aber dann sah ich, was ich an dem Tag nicht erwartet hatte: die Halfpipe.
Natürlich hatte ich gehört, dass es im Oberengadin auf die Freestyle-Weltmeisterschaften hin eine neue Halfpipe geben wird. Nun aber war ich ergriffen von dem, was ich sah: lasergerade Kanten, meterhohe Wände, steiles Gefälle. Sofort sah ich, dass das eine perfekte Anlage ist – und dass die Snowboarderinnen und Freeskier, die über der Halbröhre in der Luft hingen, zu den besten der Welt zählten. Einige erkannte ich noch an ihrem Fahrstil, obwohl wir uns jahrelang nicht gesehen hatten.
Bis 2014 gehörte ich zu ihrem Kreis: Ich war viele Jahre Mitglied im Schweizer Halfpipe-Nationalteam, 2011 gewann ich an den Weltmeisterschaften eine Silbermedaille. Aber die Male, die ich seit meinem Rücktritt in der Halfpipe war, kann ich an einer Hand abzählen. Es kam immer irgendetwas dazwischen: Studium, Schwangerschaften, Job. Und so wurde die Halfpipe, in der ich vorher mein halbes Leben verbrachte, mit jedem Jahr etwas mehr zu einer Erinnerung.
Jetzt aber konnte ich es nicht lassen. Ich hastete in der Mittelstation aus der Gondel, schnallte mein Brett an und fuhr in Richtung Halfpipe. Dort stand eine Helferin vor einer Absperrung und erklärte mir, es finde gerade ein Privattraining mit den besten Freestylern der Welt statt. Sie sagte: «Für Touristinnen ist die Halfpipe aktuell geschlossen.»
Ich hatte Glück: Ein ehemaliger Trainer erkannte mich und hielt die Helferin an, mich reinzulassen.
Was dann folgte, war – sagen wir es mal so – nicht gerade meisterlich. Ich fuhr zwar in die Halfpipe, als wäre mein letzter Lauf gestern gewesen. Aber dann drückte die Wand meinen mässig trainierten Körper zusammen wie eine Handorgel. Das Fahrtempo fühlte sich höllisch schnell an und ich schaffte es nicht, das Brett flach zu stellen und zu warten, bis es die Halfpipe verlässt. Noch in der Wand drehte ich ab. So ging es fünf peinliche Sprünge lang, dann musste ich den Lauf mit völlig übersäuerten Beinen abbrechen.
Unten angekommen, beobachtete ich, wie die besten Snowboarder der Stunde Sprünge übten, von denen man zu meiner Zeit noch träumte: drei Überkopfschrauben mit vier Drehungen kombiniert, sechs Meter über der Kante.
Sofort erinnerte ich mich: Die Halfpipe verlangt enorme technische Präzision. Wenn die Fahrlinie und das Timing beim Auslösen der Sprünge nicht perfekt sind, landet man auf der Kante – oder im Loch. Wenn ein Trick nicht gelingt, hat man nur wenige Fahrmeter, um sich zu sammeln und den nächsten Sprung vorzubereiten. Halfpipe-Fahren ist ein wenig wie ein Dominospiel: Ein Sprung stösst den nächsten an, jeder Trick muss sitzen, alles geht sehr schnell.
Seit meiner Testfahrt in der Halfpipe am Corvatsch bin ich ein wenig nervös, wenn ich an die anstehenden Weltmeisterschaften denke. Denn mir wurde klar: Weil sie technisch so anspruchsvoll sind und das Niveau nie höher war, sind Disziplinen wie die Halfpipe – aber auch Big Air, Ski Cross oder Aerials – gerade enorm spektakulär. Engadinerinnen und Engadiner sollten sich diese Show nicht entgehen lassen. Auch ich werde an der Heim-WM dabei sein – als Touristin, versteht sich.
Ursina Haller ist in Zernez aufgewachsen und lebt heute mit ihrer Familie in Mels.
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