21.08.2024 Franco Furger 3 min
Foto: Pixabay/Ryan McGuire

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Neulich wurde ich beschimpft: «Du Tubel. Du bisch an Tubel!» Der Grund für die Tirade: Ich hatte ein Butterbrot mit dem Messer halbiert. Mein Sohn, er ist drei Jahre alt, wollte die Brotscheibe aber als Ganzes verzehren. Ja, ich wurde von meinem eigenen Sohn beschimpft. Wegen einer – aus meiner Sicht – Unbedeutsamkeit. Doch aus seiner Sicht musste das Halbieren der Brotscheibe offensichtlich eine Handlung dramatischen Ausmasses sein. 

Solche Dramen erleben wir in letzter Zeit zuhauf – inklusive übler Beschimpfungen. Dass Kinder so ihre Phasen haben und zuerst lernen müssen, was Worte alles bedeuten und den Menschen antun können, bin ich mir natürlich bewusst. 

Überhaupt: Die Sprachentwicklung bei Kindern zu beobachten, ist hochfaszinierend, wie sie alles aufsaugen, ständig Fragen stellen und die Welt jeden Tag besser und präziser beschreiben können. Nur durch gutes Zuhören und Nachahmen.

Mir ist darum klar, dass ich die Beschimpfungen nicht persönlich nehmen darf. Und ich weiss auch, dass mich mein Sohn sehr lieb hat. Nachdem er sich wieder beruhigt und sein Brot verzehrt hatte, lachte er mich herzlich an und umarmte mich.

Trotzdem, diese Beschimpfungsphase ist unschön und nervenaufreibend. Wir versuchten ihm natürlich zu erklären, dass sich solche bösen Worte nicht gehören und verletzend sind. Wir bestraften ihn auch, mit Glace-Entzug, was ein wenig geholfen hat. Doch die Beschimpfungen hörten nicht auf.

Mit der Zeit löste dieses ständige Beschimpftwerden etwas in mir aus. Der Ärger über mein Kind wurde immer grösser, sodass negative Gefühle aufkamen, Wut und ein Drang, ihn mal übers Knie zu legen (was ich natürlich nicht tat). Die bedingungslose Vaterliebe bekam plötzlich Risse, in denen sich flugs böse Pflänzchen ausbreiteten.

Ich erschrak. Und mir wurde bewusst, was für eine zerstörerische Macht Worte haben und wie schnell sie einen Flächenbrand auslösen können. Sei es in der Familie, bei der Arbeit oder in der Weltpolitik. Oft ist man sich dessen gar nicht bewusst und spricht unbedacht Worte aus, die Menschen tief und nachhaltig verletzen.

Nicht umsonst heisst es «Reden ist Silber, Schweigen ist Gold». Doch mir scheint, dass diese Redewendung in der heutigen Empörungskultur immer weniger Zuspruch findet. Vielmehr sind Hasskommentare, Cybermobbing und Bashing dem Bashing zuliebe an der Tagesordnung. 

Offenbar ist der Drang, über andere zu schimpfen, tief in uns Menschen verwurzelt. Oder mit den Worten der Bibel ausgedrückt: «Die Zunge ist – mehr als alle anderen Teile des Körpers – ein Mikrokosmos unserer unheilvollen Welt».

Andererseits kann man mit Worten auch viel Gutes tun. Mein Sohn sagte mir neulich: «Du bist ein ganz Lieber und ein super Typ.» Das ging runter wie Öl.

Franco Furger

Franco Furger ist in Pontresina aufgewachsen und hat am Lyceum Alpinum Zuoz die Matura absolviert. Danach tourte er als Profi-Snowboarder um die Welt und liess sich zum Journalisten ausbilden. Er arbeitete als Medienkoordinator bei Swiss Ski, Redaktor bei der Engadiner Post und World Cup Organisator bei der Corvatsch AG. Im Sommer 2017 bloggte Franco über seine Erlebnisse als «Chamanna Segantini-Hüttenbub». Die Liebe führte ihn dann in die Stadt Luzern, wo er die Sonne und die Bündner Berge vermisste. Nun lebt er als freischaffender Texter mit Frau und Sohn in Laax.