17.08.2024 Jon Duschletta 2 min
Foto: Jon Duschletta

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1. Mai, lange ist’s her. Trotzdem habe ich mich kürzlich in einem Baumarkt wieder an diesen Tag erinnert. Der Tag fiel heuer auf einen Mittwoch, trotzdem war etwas komisch, anders als sonst. Ja, genau, ich hatte frei. Irgendwie schien mir, überhaupt zum ersten Mal an einem 1. Mai frei gehabt zu haben. Egal.
Dass jeweils 1. Mai ist, fällt mir an besagtem Tag spätestens beim ersten Nachrichtenblock im Radio auf. Oder wenn am Abend in den Hintergrundsendungen über den Tag der Arbeit gesprochen und an die Geschichte der Arbeiterbewegung gedacht wird oder Bilder von zertrümmerten Schaufensterscheiben und brennenden Autos beweisen, dass der «internationale Kampftag der Arbeiterklasse» von ein paar Idioten immer wieder falsch verstanden wird. 

Ich kenn den Tag der Arbeit, der in Teilen der Schweiz, in Deutschland, Liechtenstein oder Österreich als gesetzlicher Feiertag gilt, als solchen schon lange, eigentlich, seit ich selbst zu arbeiten begonnen habe. Manchmal frage ich mich, was heute wohl wäre, hätte ich damals einfach nicht damit begonnen? Denn dummerweise habe ich den Ausdruck «Tag der Arbeit» ganz offensichtlich von Beginn weg falsch verstanden oder zumindest falsch interpretiert, nämlich als Arbeitstag. Du Depp, werden Sie jetzt rufen, das sind ja bis auf Frei-, Feier- und Ferientage schon alle anderen Tage. Stimmt – jetzt, wo Sie es sagen.

Was ist bei mir falsch gelaufen? Weshalb haben mir meine Eltern keine Alternativen zur Arbeit aufgezeigt, gesagt, lieber Sohn, leg dich hin, mach's dir bequem, leg die Füsse hoch und entspann dich die nächsten 40 oder 50 Jahre. Ich weiss es nicht, vielleicht, weil es auch ihnen niemand so genau erklärt hat.

Zurück im Baumarkt. Da habe ich zwischen Werkzeug, Baumaterialien oder Gartensachen buchstäblich den Wink mit dem Zaunpfahl erhalten: Mein Blick fiel auf eine silberfarbene Schachtel. «Born to work» stand da geschrieben. Ich blieb kurz stehen, schlug mir dann, als mir das Licht endlich aufging, kräftig auf die Stirn und lachte laut los. Das wurde dann etwas peinlich, weil mich alle anderen komisch anstarrten. Ich räusperte mich und ging kleinlaut von dannen. Gekauft habe ich den Karton übrigens nicht. Ist doch klar.

Autor und Foto: Jon Duschletta
j.duschletta@engadinerpost.ch