01.03.2016 Dominik Brülisauer 3 min

Wenn man im Winter im Engadin unterwegs ist, begegnet man früher oder später einem Skilehrer. Das ist so sicher, wie in Los Angeles einen Schauspieler zu treffen oder irgendwo sonst auf der Welt einen Deutschen. Es gibt Leute, die behaupten, dass Rettungsschwimmer, Feuerwehrleute oder Rockstars Helden sind. Das kann schon sein. Aber im Vergleich zu einem Skilehrer sind solche Leute überbezahlte Amateure. Die Anforderungen an einen Skilehrer sind fast übermenschlich. Er muss besser aussehen als der gephotoshopte David Beckham, muss für mehr Unterhaltung sorgen als Jim Carrey auf Lachgas und mehr Wörter für Schnee kennen als der Verfasser des Inuit-Duden. Auch einen Master in Psychologie, Soziologie und Smalltalkologie sind von Vorteil. Zusätzlich muss er mindestens vier Sonnencremeschutzfaktoren aufzählen können und von den umliegenden Bergen wenigstens den Vornamen wissen – also im Normalfall Piz. Von einem Skilehrer verlangt man mehr Flexibilität als von einem Turnschuh. Schliesslich weiss er am Morgen noch nicht, was ihn erwartet. Es kann sein, dass er den ganzen Tag auf weinende, schreiende oder einfach chronisch schlecht gelaunte Kinder im Anfängerpark aufpassen muss. Oder vielleicht darf er der scharfen Russin Privatunterricht im frischen Pulverschnee geben und am Abend nach dem fröhlichen Aprés-Ski das Trinkgeld bei ihr im Hotelzimmer abholen. In diesem Fall spricht man von einer 24-Stunden-Rundumbetreuung. Aber egal was kommt, der Skilehrer erledigt seinen Job mit Leidenschaft und Spass. Deshalb erkennt man den Skilehrer leicht an seinem braun gebrannten Gesicht und seinem zufriedenen Grinsen. Damit man Skilehrer, die man am Morgen früh irgendwo in einer Hotellobby, vor einer Bar oder am Strassenrand findet, artgerecht und unkompliziert bei der richtigen Adresse abgeben kann, steht auf seiner Jacke in übergrossen Buchstaben für welche der ungefähr 3000 Skischulen des Tals er gerade tätig ist. Diese Uniformen werden mit Stolz getragen. Es sind moderne Ritterrüstungen. Frauen und Kinder wissen, bei diesen Männern ist man in sicheren Händen. Und man wird früher oder später sein Herz an diesen Lancelot der Berge verlieren. Der Skilehrer ist auch eine Vaterfigur. Egal, wie fest man sonst im Leben steht, er hilft einem immer wieder auf die Füsse. Mit viel Geduld und Verständnis schenkt er seinen Gästen Komplimente und Vertrauen. Der Skilehrer begleitet seinen Gast von den ersten tolpatschigen Versuchen am Idiotenlift, zu den ersten Stemmbogen auf den nicht mehr ganz flachen Pisten bis zu den ersten Höhenflügen in der Halfpipe. Es gibt sogar Skilehrer, die selber auch Ski fahren können. Aber das ist gar nicht mal so wichtig. Die sozialen Kompetenzen sind wesentlich entscheidender. Der natürliche Feind des Skilehrers ist die Nüchternheit, der Ehemann seines Gastes und je länger je mehr Global Warming. Auf 

Dominik Brülisauer

Dominik Brülisauer ist 1977 geboren und in Pontresina aufgewachsen. An der ZHDK in Zürich hat er Theorie für Kunst, Medien und Design studiert. Momentan arbeitet er als Werbetexter, Kolumnist und Schriftsteller in Zürich. Die Bücher «Schallwellenreiter», «Der wahre Liebeslebensratgeber» und «Leben kann jeder» sind im Handel erhältlich. Er besucht das Engadin heute noch regelmässig um im Pöstli Bier zu trinken, auf der Diavolezza zu Snowboarden und um seiner Mutter seine Wäsche abzugeben.
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