13.11.2016 Carla Sabato 3 min
Na, was denken Sie, was das sein könnte? Bild: Carla Sabato

Na, was denken Sie, was das sein könnte? Bild: Carla Sabato

Alles was ich bisher von ihr gesehen hatte, war das WhatsApp-Profilbild. Grüne Pflanze, und im Hintergrund ein roter Perserteppich Sinn für Teppiche hatte sie auf jeden Fall. Aber wie sieht man einem Menschen an, dass er Sinn für Teppiche hat? Stellen Sie sich vor, Sie stünden vor dem Starbucks neben dem Polybähnli und müssten aus den vorbeigehenden Menschen DIE Frau erkennen, die einen Perserteppich besitzt. Aus Mangel an weiteren Hilfsmitteln ziehen Sie sich einen fancy gelben Regenmantel an, lassen dies die andere Person wissen, und warten, dass Sie der richtigen Person auffallen. Da stand ich nun, wie ein gelbes Leuchtfeuer. Oder wie ein Ostfriese vor seinem Leuchtturm. Und liess mich von den Menschen begaffen. Überhaupt scheint dieser Mantel andere Menschen zu animieren, sich irgendwie offensiv zu benehmen. Vom Gaffen mal ganz abgesehen.  „He, die Dame im gälbe Mantel, chanichsi öppis frage?“ „Wieso denn so schnäll unterwägs, gälbi Jagge?“ Dass der gelbe Mantel einmal einen Grund abgeben würde, jemanden salopp auf der Strasse anzuquatschen, hatten sich die Erfinder wohl nicht erträumt. Zum sogenannten "Friesennerz" gibt es auf Wikipedia allerhand Informationen: „Es handelt sich dabei um dauerhaft wasserdichte Textilien für Berufsfischer und den Segelsport. Sie zeichnen sich durch grosse Sichtbarkeit aus (leuchtendes Gelb, Orange). Die Beliebtheit des Fliesennerzes wurde als Verwirklichung des Kommunismus auf modischem Gebiet bezeichnet, da es wohl kaum jemanden gab, der diese Jacke nicht getragen hätte oder sich ihre Anschaffung nicht hätte leisten können.“ Passend zum Kommunismus gab es natürlich auch einen Hersteller davon in der DDR (der Mantel war übrigens vor allem in den 70er- und 80er-Jahren beliebt) - allerdings nicht besonders robust und verhältnismässig teuer. Quasi das gelbe Gegenstück zum Trabanten? Ob teuer, kommunistisch oder nicht, heute erfreut sich dieser tolle Mantel leider nicht mehr dieser Beliebtheit wie noch vor dreissig Jahren. Ob es  an der beschränkten Atmungsaktivität liegen mag? Vielleicht regnet es auch einfach nicht mehr so oft wie früher.  Sehr schade eigentlich. Der Mantel hat einfach nur Vorteile: Die gelbe Farbe macht gute Laune, lässt den Träger auf Regenwetter hoffen (wo gibts das schon?), und beweist stilistisch einfach Mut. Darüber hinaus macht einen der Mantel auf Anhieb bekannt. („Hey Carla, heute regnets, wo bleibt dein Regenmantel?“)
Übrigens, das Treffen mit besagter Whatsapp-Bekanntschaft verlief nicht ganz so wie geplant. Leider warteten wir nämlich jeweils vor einem anderen Starbucks. Ganz klischeehaft liefen wir dann schlussendlich in die gegensätzliche Richtung (in der Hoffnung einander irgendwo zu kreuzen) und erkannten uns auf Anhieb. Danke, gelber Regenmantel! Filmreife Eigenschaften beweist der Mantel übrigens auch auf andere Weise. Als ich ein anderes Mal an der Tramhaltestelle auf mein Tram wartete (und meine Jacke gerade im Tramfenster bewundern wollte) erkannte ich, dass dahinter eine Frau sass. Mit einer aufgeschlagenen Engadiner Post in den Händen.

Carla Sabato

Carla Sabato ist Studentin, ehemalige Praktikantin bei der Engadiner Post, Hobbyfotografin (liebend gerne in der Dunkelkammer), stolze Vegetarierin, Yoga-Praktizierende, Verfechterin gemässigter Klimazonen, Frühaufsteherin, Hundehalterin, Pragmatikerin, schwarze Rollkragenpullover Trägerin, Teilzeit Existentialistin, Raus-aber-richtig-Frau, schlechte Autolenkerin und Möchtegern-Vancouverite.