07.11.2016 Ruth Spitzenpfeil 5 min
An der Ski WM vor 14 Jahren war das definitiv die coolste Party-Location: Die Audi Ice Lounge auf dem Dach des Parkhauses mitten im Dorf.

An der Ski WM vor 14 Jahren war das definitiv die coolste Party-Location: Die Audi Ice Lounge auf dem Dach des Parkhauses mitten im Dorf.

Sogar der dauer-fröhliche OK-Präsident Hugo Wetzel muss im EP-Interview 100 Tage vor dem Start der Ski-WM zugegeben: «Die grosse Euphorie ist noch nicht zu spüren». Nein, das Tal vibriert nicht wirklich aus Vorfreude auf die tollen Tage vom 6. bis 19. Februar 2017. Am fehlenden Winterfeeling kann es nicht liegen. Gerade erreichen mich auf Twitter und Facebook die wunderbarsten Bilder vom tief verschneiten Zielgelände auf Salastrains unter blauem Himmel. Dass die Skirennen gut werden, das sportliche Programm perfekt ablaufen wird, daran hat ja auch kaum jemand einen Zweifel. Aber sind wir ehrlich: Das ist es doch nicht, was ein solches Ski-Fest zum unvergesslichen Erlebnis macht. Wenn die Älteren unter uns heute von der letzten WM im Jahr 2003 schwärmen, dann erzählen wir kaum von den Wettkämpfen auf den Pisten. 
Bar aus EisSchon eher davon, wie wir an der Via Quadrellas anstanden, um endlich auch einmal einen Drink in der spektakulären Ice-Lounge nehmen zu können, die Gross-Sponsor Audi aus 80 Tonnen Eis-Quadern auf dem Dach des Parkhauses hatte errichten lassen. Das war eine coole Party-Location – im wahrsten Sinne des Wortes. Oder wir erinnern uns an die Abende auf dem zur Medal Plaza umgewandelten Schulhausplatz, als wir unter anderem lautstark mit Plüsch unser «Heimweh nach de Bärge» in den Nachthimmel schmetterten. Welcher Skifahrer an jenem Abend geehrt wurde? Keine Ahnung mehr. Überhaut, Party gab es in jenen Tagen ständig irgendwo und meistens waren es ziemlich gute. Einen legendären Ruf hatten die Nächte der Tiroler, die sich zusätzlich zum Österreicher-Haus noch eine eigene Festhütte gebaut hatten. Aber auch an den altbekannten Adressen ging die Post ab. Es war eine fröhliche Mischung aus Ski-Aktiven, mehr-oder-weniger VIPs, Einheimischen und Fans. Vom Schweizerhof-Stübli bis ins Dracula war die Stimmung locker, entspannt – weder grölend und billig noch zu exklusiv und abgehoben.
Das Autogramm auf dem BauchZugegeben. Vielleicht habe ich eine etwas einseitige Sichtweise auf die letzte Ski-WM. Denn ich war damals nicht als Sport-Reporterin unterwegs, sondern hatte den Auftrag, als Kolumnistin für etwas Farbe im Blatt zu sorgen und die Geschichten neben den sportlichen Ereignissen aufzugreifen. Ich nahm meine Rolle als People-Journalistin sehr ernst. Eines Abends engagierte ich gar eine Art Lockvogel. Unsere Mission: Einen Ski-Star aufreissen. Auf jeden Fall schaffte es die attraktive St. Moritzerin in der damals noch schwer angesagten Discothek Vivai mit dem frischgebackenen Bronzemedaillengewinner in der Abfahrt, Bruno Kernen, anzubandeln. Er verewigte sich auf ihrem nackten Bauch. Aber ich war nicht nur nachts auf der Piste. Tagsüber kam man zuweilen gar als Royalty-Jäger auf seine Kosten. Prinz Albert von Monaco und seine Schwester Caroline waren im Zielgelände anzutreffen und löffelten im VIP-Zelt eine Gerstensuppe. Einmal fuhren mir der jüngste Sohn der britischen Königin, Prinz Edward, und seine Frau mit ihren Ski fast über die Füsse. Während alle Photographen auf dem Parkplatz auf eine Limousine warteten, kamen sie unerwartet von der Corviglia her angewedelt. Ich hatte den richtigen Riecher und bekam ihre Ankunft ausführlich mit, während die Paparazzi in die Röhre schauten.
Bitte Lust machenErinnerungen eine eine tolle Ski-WM 2003 haben sicher noch viele Engadiner. So lange ist das ja nun auch wieder nicht her. Aber warum ist dann die Stimmung immer noch so flau? Wer eine Erklärung dafür sucht, der klicke einmal auf der Website von 
St.Moritz2017. Was man dort bisher unter «Rahmenprogramm» findet, ist mehr als ernüchternd. Konkret erfährt man dort bisher nur, dass die Patrouille Suisse einige Male über das Zielgelände fliegen wird. Ansonsten wird etwas ungelenk getextet, man könne sich auf ein Unterhaltungsangebot «auf höchstem Niveau» freuen. Was das aber sein soll, wird nicht verraten. Wollen wir hoffen, dass schliesslich mehr geboten wird als die unsäglichen Guggen-Musiken von denen bereits öffentlich die Rede war. Damit lockt man nun wirklich niemand hinter dem Ofen hervor.  Ich bin sicher, man hat auch dieses Mal tolle Live-Acts engagiert. Aber warum hält man damit so lange hinter dem Berg? Mit Verlaub, gute Kommunikation, die Lust macht auf einen Event, geht anders.
Auf zum Kulm ParkAber ich will nicht nur schnöden. Denn es gibt ja durchaus Neuerungen, auf die ich mich extrem freue. Da ist vor allem die neue Medal Plaza. Der Familie Niarchos sei dank, wird es jetzt einen phantastischen Ort für die Medaillen-Zeremonien und die anschliessenden Feiern geben. Gerade noch rechtzeitig lassen die Hotel- und Seilbahnbesitzer den alten olympischen Eis-Pavillon auf ihrem Gelände herrichten und um einen eleganten Bühnenbau erweitern. Soweit man das bisher auf den Visualisierungen beurteilen kann, wird das richtig schön. Alte St. Moritzer Klasse eben! Es könnte gut sein, dass die als «Kulm Park Partys» angekündigten Events einmal das sein werden, woran wir uns vor allem erinnern, wenn wir einst von der Ski-WM 2017 in St. Moritz schwärmen.

Ruth Spitzenpfeil

Pendlerin zwischen Zürich und dem Engadin, die ihr Büro nicht selten in der Rhätischen Bahn aufschlägt. Sie arbeitet seit 35 Jahren als Journalistin, davon die meiste Zeit bei der Neuen Zürcher Zeitung. Dort galt sie als die inoffizielle Engadin-Korrespondentin, hat unzählige Geschichten im Tal recherchiert und Filmbeiträge produziert. Bekannt wurde sie auch mit ihrem Video-Blog «In fremden Federn», einer Serie von witzig-kritischen Hoteltests.