05.07.2023 Bibi Vaplan 2 min

«Was, wenn ich nie wieder einen guten Song schreiben werde?», fragte ich 2020 Schimun. Dieser schaute mich an und sagte mit tröstender und zuversichtlicher Stimme: «Mach dir keine Sorgen - du wirst wieder gute Songs schreiben.» 
 Schimuns Stimme beruhigte mich. Die Selbstverständlichkeit seiner Worte tröstete mich. So ging ich meinen Weg weiter - und es gab den einen oder anderen Song, mit dem ich ganz zufrieden war. Wobei man sich an dieser Stelle fragen könnte: Was genau ist die Definition eines guten Songs? Wer entscheidet darüber, ob und was ein guter Song ist? Die Masse? Die Radios? Meine Patentante? Der Kioskverkäufer? Die Strumpfhosendesignerin? 
Mein meistgehörter und gespielter Song - «Lascha a mai», habe ich eines Abends 2011 gedankenlos aus dem Ärmel geschüttelt. Zunächst wollte ich diesen gar nicht aufs neue Album setzten. Irgendwie ist «Lascha a mai» dann doch dort gelandet und hat sich als ein leuchtender Stern meiner Laufbahn entpuppt. 
 Oder da ist auch «Milli bels guottins» – von dem ich zunächst 23.5 Versionen schrieb, bis er so wurde wie er ist und in den Schweizer Charts gelandet ist. War das ein guter Song? 
Seit einem Monat bin ich nun wieder am Zweifeln: «Was, wenn ich nie wieder einen guten Song schreiben werde?» Seit einem Monat schlage ich mir Nächte um die Ohren, lasse mich gehen, höre hin, höre zu ... Ich weiss genau wie der Song klingen soll. Er ist da und doch nicht da. «Was, wenn ich nie wieder einen guten Song schreiben werde?»
Aber auch Schimun ist nicht mehr da, um mich zu trösten. 
Also spinne ich meine Frage selbst weiter: «Ja, was dann? Geht die Welt unter? Ist mein Leben vorbei?»
 Ich schüttle den Kopf, atme durch und wühle mich weiter durch die unendlichen Möglichkeiten von Kombinationen aus Tönen, Rhythmen und Gefühle. Irgendwo wird da doch was sein, irgendwo wird auch Schimun noch sein. Was er wohl gerade macht? 





Bibi Vaplan

Bibi Vaplan (geboren 1979) ist im Engadin aufgewachsen. Das Klavierstudium an der Zürcher Hochschule der Künste schloss sie 2005 mit dem Lehrdiplom ab. Schon während des Studiums komponierte sie für Filme und Theater (u.a. für Vitus). Stilistische Grenzen waren schon immer ein willkommener Grund, über den Zaun zu schauen. Bibi Vaplans Konzerte und ihre mediale Präsenz, zum Beispiel im «Kulturplatz», bei «Glanz und Gloria» oder auf dem Traktor unterwegs für «Jeder Rappen zählt!» machten die Engadiner Künstlerin schweizweit bekannt. Ihr neuestes Projekt, die «Popcorn-Opera» startete am 6. November 2020.