29.05.2023 Anne-Marie Flammersfeld 4 min

Neulich habe ich beim Basler Frauenlauf mitgemacht. Es war aus mehrfacher Sicht Premiere, denn die Strecke war 10 Kilometer lang und auf Asphalt. Keine Sorge, ich werde so etwas in Zukunft auch nicht mehr machen, sondern renne fortan wieder die Berge rauf und runter. Es ergab sich aber die Gelegenheit, da wir vom St. Moritz Running Festival eine Partnerschaft mit diesem Lauf pflegen und ich deswegen zugegen war. Und so ging ich ganz locker und ohne Erwartungen an den Start. Wirklich? Nun, ich muss zugeben, dass ich nicht einfach nur so mitlaufen konnte. Ich rechnete vorher schon ein bisschen rum, aber kam auch zu keinem Ergebnis, da ich a) nicht mehr auf das Tempo beim Laufen achte und b) nie eine Sportuhr dabei habe und c) 10km auf Asphalt ganz schön lang und schmerzhaft sein können. Bis kurz vor dem Start wartete ich auch noch in einer unendlich langen Schlange vor den Toi-Tois und ging eine Minute vor Anpfiff einfach in die erste Startreihe, weil ich ansonsten ganz hinten hätte starten musste. Das wäre mit meinem Ego dann doch nicht vereinbar gewesen. Ja, lieber Leserinnen und Leser, es wird hier doch noch seriös! Ich rannte dann einfach mal los und wählte eine Geschwindigkeit, von der ich meinte, dass ich sie über 10km durchalten könnte. Nach einer Weile überholte ich dann einige Damen, die ziemlich schnauften und schnieften. Als ich so locker fröhlich und ohne grosse Anstrengung einfach an ihnen vorbeilief, stockte es ihnen fast der Atmen und verwunderte Blicke klebten sich an meinen Rücken fest. Am liebsten hätte ich ihnen zugerufen, dass ich täglich in einem der schönsten Trainingsparadiese der Welt trainieren darf! Und dass es alles andere als leicht ist, da die Höhe brutal anstrengend ist. Wenn man dann aber im Flachland einen Lauf hat, schaut alles eben mitunter ganz leicht und einfach aus und die Lunge ist prall gefüllt mit Sauerstoff. Herrlich! Dann entdeckte ich eine Läuferin, die mit ellenlangen Schritten vor mir herspurtete und sichtlich Mühe mit ihrem Körper hatte. Oder mit ihren Beinen. Oder den Schuhen? Nach einer schnellen Analyse stellte ich fest, dass sie mit diesen neuartigen Schuhen mit Carbonsohle unterwegs war. Diese Schuhe sind seit ein paar Jahren auf dem Markt und versprechen effizienteres und schnelleres Laufen. Mit diesen Schuhen an den Füssen wurden immerhin die letzten Weltrekorde im Marathon aufgestellt. Da muss also etwas dran sein. Es ist allerdings so, dass diese neue Geschwindigkeit vom Körper erst einmal koordiniert werden muss. Durch diese Carbonsohle im Mittelfussbereich wird der Läufer gezwungen, auf dem Vorfuss zu laufen. Das belastet Achillessehne, Wadenmuskulatur und die Plantarsehne (verläuft unter dem Fuss) extrem und alle, die diesen Laufstil nicht gewohnt sind, könnten Probleme in diesen Bereichen bekommen. Und da der Schuh erst bei höherer Geschwindigkeit sein volles Potenzial aufzeigt, wird Herr und Frau Hobbysportler mit dieser Rakete unter den Füssen ganz schön schnell an Grenzen kommen. So wie auch die Läuferin vor mir, die mit diesen Wunderwaffen unterwegs war. Meiner Meinung nach viel zu schnell, da sie wie eine Lokomotive schnaubte und die Schrittlänge überhaupt nicht zum restlichen Körper passte. Ich frage mich da schon, was denn die Leute eigentlich so meinen. Hilfsmittel wie diese Schuhe stehen nicht auf der Dopingliste. Alle können sie benutzen. Doch gerade für diese neuartigen Schuhe braucht man dann doch einen sehr gut durchtrainierten Körper. Und diese Muskeln müssen leider immer noch selber trainiert werden. Vielleicht wird das ja in Zukunft auch die Künstliche Intelligenz für uns übernehmen. Aber brauchen wir dann eigentlich diese ganzen „Gadgets“ noch, wenn bald eh alles durch Software gesteuert wird? Während ich, selbstverständlich in schweren Trailrunningschuhen, die letzten Kilometer unter meine echten Füsse nahm, fiel mir dafür leider keine Lösung ein. Vielmehr nur ein Gedanke und ein Gefühl, als ich nach 44 Minuten die Ziellinie überquerte: Laufen ist immer noch die schönste Sportart der Welt! Mein Musiktipp: https://www.youtube.com/watch?v=9plTe80SosA

Anne-Marie Flammersfeld

Anne-Marie Flammersfeld ist Diplom-Sportwissenschaftlerin, Personal Trainerin und hat einen BSc. in Psychologie. Sie hält einige sportliche Rekorde. So konnte sie 2012 als erste Frau der Welt alle vier Rennen der «Racing the Planet 4 Deserts Serie» gewinnen und lief 1000 Kilometer durch die vier grössten Wüste der Welt. Sie ist in 8h32 auf den Kilimanjaro gelaufen und konnte den damaligen Weltrekord um gute drei Stunden verbessern. Am Nordpol war sie auch und ihr Streckenrekord steht immer noch bereit, um eingeholt zu werden. Die 1978 geborene deutsche Sportlerin arbeitet mit ihrem Unternehmen all mountain fitness in St. Moritz und dem Engadin. Als Personal Trainerin ist sie für alle da, die etwas Nachhilfe in Sachen Bewegung brauchen! Aber immer mit einem Augenzwinkern. Sie hält regelmässig Vorträge zu Themen aus den Bereichen Motivation, Begeisterung und Grenzen überwinden.
www.allmountainfitness.ch
annemarieflammersfeld.blogspot.com