04.03.2022 Redaktion Engadiner Post 4 min

Der periodische Redaktionsblog der «Engadiner Post/Posta Ladina» soll aus dem spannenden Leben von uns Redakteuren und Redakteurinnen berichten. Ob spannend oder nicht – tatsächlich hält unsere Arbeit immer wieder Überraschungen bereit. Ein Beispiel gefällig? «Alle Jahre wieder», mit diesem Satz sind wir, wenn wir mal die beiden letzten Pandemiejahre aussen vor lassen, im Redaktionsalltag fast wöchentlich konfrontiert. Geschichten, die wir rund um Grossanlässe kultureller, sportlicher oder anderer Couleur schreiben, führen wir deshalb in einer rudimentären Tabelle namens «wiederkehrende Anlässe» auf. Nicht zuletzt, um wiederkehrende Anlässe nicht wiederkehrend gleich abzuhandeln. Ein solches klassisches Ereignis ist Chalandamarz, das traditionsreiche Jugendfest zum 1. März und damit zum meteorologischen Frühlingsanfang. «Was, ist schon wieder Chalandamarz?...?» Praktischerweise wird Chalandamarz in einzelnen Dörfern schon am letzten Tag im Februar gefeiert. Also, warme Kleider anziehen, Fotokamera einpacken und ab in aller Früh nach Guarda wo sich der Kinderumzug schon um Acht formiert und glockenläutend durchs Dorf zieht. Immerhin schwingt hier auch der historische Kontext mit, dass Guarda in Sachen Chalandamarz nun mal kein gewöhnliches Dorf ist, sondern das Schellenursli-Dorf schlechthin. Wenn Chalandamarz, dann hier. Das aber wissen auch andere. So bin ich vor Ort denn auch alles andere als überrascht, dass ich nicht der einzige Journalist war, der die geniale Idee hatte den Chalandamarz am Vortag bildlich festzuhalten um Ihnen, werte Leserschaft, am Chalandamarz selbst diese Bilder in der Zeitung präsentieren zu können. Da stehen sie, ausgerüstet mit Schreibblock und Kuli, Fotoapparat und Filmkamera, unsere «liebste Lokalkonkurrenz» vom Tagesprint und dem romanischen Fernsehen. Man kennt und schätzt sich und lässt sich wie selbstverständlich auch mal Raum und Platz für individuelle Bilder und O-Töne. Schwieriger wird es, wenn, so wie am Montag, auch eine dreiköpfige, auswärtige TV-Crew um die besten Bilder buhlt und ganz offensichtlich gerne und bevorzugt Nahaufnahmen macht. Dabei wäre die Aufgabe gute Bilder mit nach Hause zu bringen schon so kompliziert genug: Dauernd wechselnde Lichtverhältnisse, mal grelles Gegenlicht, dann wieder dunkle Schatten. Einmal mehr wird mir bewusst, wie glücklich die Guardianer auf ihrer Sonnenterrasse sein müssen. Und dann die Kinder, die grössten vorne weg, die kleineren dahinter versteckt, dauernd sind sie in Bewegung, nur nicht immer in die erwartete Richtung, dafür auf jedem zweiten Bild mit geschlossenen Augen in die Kamera lächelnd. Aber easy, alles kein Problem. Achtung, da grüsst ein altes Paar aus der Haustüre und beobachtet erfreut die vorbeiziehenden Chalandamarzkinder. Ein schönes Bild – für die Front womöglich – aber bis ich den Auslöser drücke, sind die grossen Glocken schon vorbei. Gleiches wenig später vor einem prächtigen historischen Haus im Dorfzentrum von Guarda. Zu spät. Jetzt aber, der Umzug kommt gleich um diese Ecke wo ich mich perfekt positioniert habe. Kein störendes Auto im Weg, keine fotografierenden Zuschauer oder Eltern die den Kleinen noch schnell die Zipfelmütze richten. «Ratsch, ratsch» tönt des Sennen Rassel, «bim, bam» kommen die Glocken näher. Und schon rückt der Umzug ins Bild: Vorne weg die sympathisch lächelnde Tonfrau mit ihrer langen Mikrostange, gefolgt vom agilen Kameramann und nur Zentimeter dahinter...? Sie ahnen es bestimmt. Beim nächsten malerischen Fotopunkt steht ein Lieferwagen mit offener Heckklappe im Hintergrund und just im dümmsten Moment drängt auch noch ein Auto durchs Bild. Nur Geduld, sag ich mir, in Guarda stehen sieben herrliche Brunnen welche die Chalandamarzkinder an diesem ersten Tag glockenschellend umrunden. Beim ersten Brunnen positioniert sich der agile TV-Mann mit Kamera und Mikro am Brunnenrand und ruiniert mir die Bilder, beim zweiten ist es der romanische Kollege und bei dritten nicht nur das Postauto welches fahrplanmässig über den Platz muss, sondern auch ein Mann der seelenruhig an der Brunnensäule steht, sich Wasser in eine Flasche füllt und während er daraus trinkt einfach stehen bleibt und sich von den Chalandamarzkindern umrunden lässt. Er freut sich, wie seine aufgehellte Miene unmissverständlich verrät. Und beim vierten Brunnen? Ich passe, mir ist die Lust aufs gute Bild mittlerweile vergangen. Übrigens habe ich eben noch die Tabelle der wiederkehrenden Anlässe um den Eintrag «Chalandamarz 2022 in Guarda» erweitert. Für das nächste Jahr habe ich noch die Erinnerungsnotiz «Fotos von Kindern am Brunnen machen» hinzugefügt. «Wenn möglich ohne störende Elemente» hätte ich vielleicht noch ergänzen können. Habs aber gelassen. Ich will mich doch auch zum nächsten Chalandamarz noch gerne überraschen lassen. Autor: Jon Duschletta

Redaktion Engadiner Post

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