15.06.2021 Bibi Vaplan 2 min
Foto: Bibi Vaplan

Foto: Bibi Vaplan

Vor 11 Jahren kam meine Freundin Melanie mit einem Lächeln zur Tür herein, um mir etwas wirklich Grossartiges zu zeigen: Facebook. Es sei wirklich der Hammer, supercool, ich müsse das unbedingt auch ausprobieren. Ich tat es. Zugegeben, zunächst um meinem Ex-Freund zu zeigen, wie gut es mir ging. Schwamm darüber, ich war jung. Die Anzahl meiner Freund*innen auf Facebook beträgt mittlerweile stolze 4'965. Dem besagten Ex-Freund muss ich zum Glück nicht mehr beweisen, dass es mir gut geht. Vielmehr profitiere ich als Musikerin davon: Die ganze Welt (oder eben diese 4'965 Freunde) kann täglich   mitverfolgen, wie grossartig ich bin, was ich Grossartiges leiste, wann ich wo Konzerte habe oder ich etwas Neues veröffentliche. Vergessen sind die Zeiten, an denen ich von Dorf zu Dorf fuhr, um Konzertplakate aufzuhängen. Vergessen sind die Tage, an denen ich  bei Minustemperaturen und rutschigen Strassen von Briefkasten zu Briefkasten lief, um Flyers zu verteilen. Seit dann vor ein paar Jahren Instagram in mein Leben kam, habeich die  Flaschenpost definitiv  aus  meinem  Promo  Konzept gestrichen. Vor einigen Tagen durfte ich meinen neusten Song veröffentlichen: Captain Flamingo.Viel Zeit  habe ich damit verbracht, den richtigen Ton für jede Stelle zu finden, das treffendste Wort mit genug Vokalen für die Melodie. Viel Liebe habe ich aus dem Universum gesaugt, um diesen neuen Superhelden auch visuell und literarisch lebendig werden zu lassen. In dieser Phase einer Publikation, stecke ich meine Nase im Durchschnitt täglich 44 Minuten in eben dieses  Facebook  und Instagram. Um Werbung zu machen für meine feurige Kreation. Und mir ist durchaus  bewusst, dass unterdessen gepostetes nicht mehr wirklich «gesehen» wird. Mit viel Liebe gestalteter Inhalt verliert sich in einem Meer aus  Belanglosigkeit, Werbungund Langweile. Trotzdem, es nicht zu tun, heisst, die Welt denkt, ich tue gar nichts. Wie gerne würde ich zur Flaschenpost zurückkehren!


Bibi Vaplan

Bibi Vaplan (geboren 1979) ist im Engadin aufgewachsen. Das Klavierstudium an der Zürcher Hochschule der Künste schloss sie 2005 mit dem Lehrdiplom ab. Schon während des Studiums komponierte sie für Filme und Theater (u.a. für Vitus). Stilistische Grenzen waren schon immer ein willkommener Grund, über den Zaun zu schauen. Bibi Vaplans Konzerte und ihre mediale Präsenz, zum Beispiel im «Kulturplatz», bei «Glanz und Gloria» oder auf dem Traktor unterwegs für «Jeder Rappen zählt!» machten die Engadiner Künstlerin schweizweit bekannt. Ihr neuestes Projekt, die «Popcorn-Opera» startete am 6. November 2020.