24.11.2020 Franco Furger 4 min
Du bist nie zu alt zum Skateboarden – höchstens deine Knochen.   Foto: Franco Furger

Du bist nie zu alt zum Skateboarden – höchstens deine Knochen. Foto: Franco Furger

Seit ich in der Stadt wohne, bin ich wieder öfters rollend unterwegs. Denn ich habe mir ein sogenanntes Carver-Skateboard gekauft. Mit diesem kann man enge Kurven fahren und dabei beschleunigen. Das macht Spass und fühlt sich ein wenig an wie auf dem Snowboard. Neulich wollte ich mit meinem Skateboard einkaufen gehen. Ich sehe bereits das orangene M vor mir, und plötzlich verkeilt sich die Vorderachse. Ich falle vornüber und knalle mit meiner linken Seite – Schulter, Ellenbogen, Hüfte und Knie – auf den harten Boden. Mein erster Sturz. Irgendwann musste es ja passieren, denke ich. Früher als ich noch regelmässig Skateboard fuhr und Tricks übte, waren solche Stürze an der Tagesordnung. Ausser ein paar blauen Flecken war nie etwas Schlimmeres passiert. Also stehe ich wieder auf, nehme das Skateboard in die Hand und laufe leicht benommen zum Supermarkt. Doch der Unterarm schmerzt. Ich spüre, etwas stimmt nicht. Mir wird klar, ich muss auf die Notfallaufnahme und meinen Arm röntgen. Vier Stunden später zeigt mir der Chirurg das CT-Bild meines Ellenbogens: Fraktur am Radiusköpfchen. Aber keine Verschiebung. Operieren muss ich nicht. Der Arzt verschreibt mir Schmerzmittel und verordnet meinem Arm Ruhe. Dann kann ich nach Hause. Ohne Gips aber mit Schlinge, in der ich seither meinen Arm trage. Am nächsten Tag setze ich mich an meinen Schreibtisch, lege den linken Arm auf ein Kissen und fange an zu arbeiten. Schreibe eine E-Mail, einhändig. Telefoniere, das geht besser. Schreibe nochmals eine E-Mail. Doch mit nur einer Hand auf der Tastatur herum zu tippen, fühlt sich ziemlich unbeholfen an. Warum diktiere ich meine Texte nicht einfach?, frage ich mich. Und ich schaue nach, ob und wie ich auf meinem PC ein Spracherkennungstool verwenden kann. Bislang war ich ein überzeugter Tipper, nicht weil ich besonders schnell tippe, sondern weil Tippen meinem Selbstverständnis als Texter entspricht. Wie der Handwerker arbeitet auch der Texter mit seinen Händen. Puristen schwören deshalb auf handschriftliche Texte. Die Schreibmaschine hat den Akt des Schreibens schon einmal revolutioniert. Folgt mit der Spracherkennung die nächste Revolution? Reden wir bald nur noch mit unserem Computer und anderen Gegenständen? Die Spracherkennung ist in unserem Alltag bereits angekommen und schon bald wird sie kaum mehr wegzudenken sein. Menschen reden bereits selbstverständlich mit Sprachassistenten wie Siri und Alexa. Mit Hilfe von Spracherkennungssoftware kann im Smart Home das Licht eingeschaltet, die Heizung aufgedreht oder der Rollladen herunter gelassen werden. Womöglich lenken wir auf diese Weise demnächst unser Auto. Ich bin diesbezüglich Anfänger. Habe bislang jede SMS von Hand getippt, obwohl mein iPhone Sprache erkennen kann, und auf WhatsApp kaum je eine Sprachnachricht verschickt. Wie gesagt, ich bin Tipper, auch wenn ich nur einen Daumen zur Verfügung habe. Etwas halbherzig öffne ich mein Google-Textbearbeitungsprogramm, das soll Sprache erkennen können. Ich klicke auf das Mikrofon-Symbol und versuch’s: "Seit ich in der Stadt lohne, bin ich wieder öfters Roland unterwegs." Hmm, nicht schlecht, aber ich muss wohl an meiner Aussprache arbeiten: "das macht Spass und fühlt sich ein wenig an wie auf dem Snowboard." Wow. Fehlerfrei. Nur die Großschreibung nach dem Punkt muss ich korrigieren, das schaffe ich einhändig. Wenn ich “Punkt” oder “Komma” spreche, erscheinen die entsprechenden Zeichen. Selbst “Klammer auf, Klammer zu” funktioniert. Mit der Zeit habe ich den Dreh immer besser raus und meine Datei fühlt sich mit 16… Nochmals: meine Datei füllt sich mit Sätzen. Die Verschreiber (oder heisst es Versprecher oder Verhörer?) sind zuweilen lustig, manche auch makaber. So hat der Bildschirm “als ich noch Tricks übte” mit "Kriegs übte" angezeigt. Doch ich komme erstaunlich schnell voran mit meinem Text. Vielleicht klingt er etwas abgehackter als sonst, aber ich bin durchaus zufrieden. Ich kann nicht sagen, dass ich begeistert bin, wie ich neuerdings Texte schreibe; doch was die Digitalisierung möglich macht, ist schon erstaunlich. Und eine gute Spracherkennungssoftware soll sich an meine undeutliche Aussprache sogar gewöhnen und dazulernen. Künstliche Intelligenz nennt man das. Trotzdem hoffe ich, dass es meinem Ellenbogen und Arm bald wieder besser geht und ich wieder wie gewohnt schreiben und tippen kann. Ob ich Spracherkennung in Zukunft vermehrt nutzen werde? Gut möglich. Die Verlockung, freihändig zu schreiben, jedenfalls wurde in mir geweckt. Mein Wunsch bleibt allerdings, dass es das sprachgesteuerte Skateboard nie geben wird.

Franco Furger

Franco Furger ist in Pontresina aufgewachsen und hat am Lyceum Alpinum Zuoz die Matura absolviert. Danach tourte er als Profi-Snowboarder um die Welt und liess sich zum Journalisten ausbilden. Er arbeitete als Medienkoordinator bei Swiss Ski, Redaktor bei der Engadiner Post und World Cup Organisator bei der Corvatsch AG. Im Sommer 2017 bloggte Franco über seine Erlebnisse als «Chamanna Segantini-Hüttenbub». Die Liebe führte ihn dann in die Stadt Luzern, wo er die Sonne und die Bündner Berge vermisste. Nun lebt er als freischaffender Texter mit Frau und Sohn in Laax.