03.03.2020 Redaktion Engadiner Post 3 min
Foto: shutterstock.com/Naeblys

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Als Journalisten sind wir es gewohnt, dass jede Planung nur so gut ist, wie wir bereit sind, diese über Bord zu werfen, wenn es die Situation verlangt. Und eine solche Situation trat am vergangenen Donnerstag ein. Die Samstagsausgabe der EP/PL war auf der Tafel und in den Köpfen der Redaktion bestens geplant. Ein schönes Bild von Chalandamarz auf der Titelseite sollte die Vorfreude wecken auf diesen traditionellen Engadiner Schüleranlass. Die dreiseitige Beilage für die bevorstehende Engadiner Marathonwoche war fixfertig für den Druck bereit. Ein Interview mit den beiden Organisatoren des St. Moritzer SunIce Festivals war geführt und musste nur noch geschrieben werden. Weitere Geschichten warteten in der Pipeline. 


Aber immer auch der Gedanke im Hinterkopf, dass uns das Coronavirus einen Strich durch die Zeitungsplanung machen könnte. Das Szenario «Was wäre, wenn?», war in der Redaktionssitzung vom Vormittag diskutiert worden. Mit der Erkenntnis, flexibel zu bleiben, um nötigenfalls auf die neuesten Entwicklungen reagieren zu können. 


Diese Entwicklungen gab es am Nachmittag. Das kantonale Gesundheitsamt informierte in Chur über die aktuelle Situation und darüber, dass Anlässe mit überregionalem Charakter und mehr als 1000 Personen bis zum 8. März untersagt sind. Kein Frauenlauf, kein Nachtlauf, kein Engadin Skimarathon, kein SunIce Festival, kein The Ice St. Moritz, ja nicht einmal der Chalandamarz darf stattfinden. Kurzfristig führte das zu Hektik auf der Redaktion – die Online-Kanäle mussten möglichst rasch mit den News gefüttert werden. 


Eine Stunde später traf sich die Redaktion zur zweiten Sitzung des Tages. Vieles, was am Morgen in die Blattplanung vom Samstag Aufnahme gefunden hatte, konnte wieder gestrichen werden. Dafür stellte sich eine neue, zentrale Frage: Wie geht die EP/PL journalistisch mit den neuesten Entwicklungen rund um das Coronavirus um? Es sind zwei Herausforderungen, die sich stellen: Zum einen, ein internationales Thema auf die Region herunterzubrechen und zwar so, dass es weder die Situation beschönigt noch «auf Alarmismus» macht. Zum anderen Geschichten zu finden, die am Freitag nicht längst überholt sind und von allen anderen Medien schon aufgegriffen wurden. Mit der Schlagzeile «Coronavirus legt Engadin Skimarathon flach», hätten wir keinen einzigen Leser mehr überrascht. Am Samstag war das längst keine News mehr.


Entschieden wurde, dass es eine Hintergrundgeschichte zu den möglichen wirtschaftlichen Folgen der Absage für den Engadin Skimarathon gibt, einen Bericht darüber, welche Anlässe von der Weisung des Kantons (und später auch des Bundes) betroffen sind. Und wie die wichtigsten Leistungsträger im Tourismus im Engadin auf den «Corona-Schock» reagieren. Die Frontgeschichte wurde erst kurz vor Redaktionsschluss am Freitag um 16.00 Uhr geschrieben. In der Hoffnung, am Samstag möglichst aktuell zu sein. 


Ist der Spagat gelungen? Ist die Zeitung informativ, deckt sie das Thema Coronavirus auf der lokalen Ebene gut ab, ist sie mit den Informationen Up-to-date? Meine Einschätzung am Samstagvormittag beim Lesen ist weder schwarz noch weiss. Vielmehr bleiben zwei Erkenntnisse. Erstens: Man hätte es noch besser machen können. Zweitens: Zumindest (Corona)monothematisch war die Zeitung nicht. Fusionsgelüste der Seen- und Plaivgemeinden haben ebenso Aufnahme ins Blatt gefunden wie die Medienkonferenz von Schweiz Tourismus oder das 90-Jahr-Jubiläum der Skischule St. Moritz. Und sogar der Chalandamarz hat es noch in die Samstagszeitung geschafft: Mit der schönen Geschichte über Schellen-Urslis Bubentraum. 


Redaktion Engadiner Post

Wie geht es auf einer Redaktion zu und her? Inbesondere an einem Produktionstag? Was macht ein Redaktor/eine Redaktorin den lieben langen Tag? Und was braucht es, von der Idee bis zum vollständigen Bericht in der Zeitung? Über diese und weitere Themen lesen Sie regelmässig im Redaktionsblog der «Engadiner Post/Posta Ladina».