20.11.2019 Ruth Bossart 3 min
Ohne Besen und Mob geht gar nichts: Renuka und Cecilia. Fotos: Ruth Bossart

Ohne Besen und Mob geht gar nichts: Renuka und Cecilia. Fotos: Ruth Bossart

Ich kam mir vor wie in einer Episode der versteckten Kamera: Zwölf Mal hat es an einem einzigen Morgen an meiner Haustüre geklingelt. Normalerweise ist meine Haushaltshilfe da und öffnet. Doch an diesem Tag war ich alleine. Zuerst wollte der Zeitungsverträger das wöchentliche Abo-Geld, dann kam der Blumenverkäufer vorbei mit einem Sortiment Topfpflanzen, schliesslich brachte der Pöstler die Telefonrechnung und der Hauswart einen Zettel für einen baldigen Stromunterbruch, später erschienen auch noch Handwerker. Und so ging es munter weiter. Um 12 Uhr hatte ich kaum eine Zeile geschrieben, dafür ein neues Kolumnenthema.

Eine der Hauptarbeiten in einem indischen Haushalt ist der Türendienst. Und das Abstauben, denn die Luft hier ist so schmutzig, dass beispielsweise der Esstisch auch vor dem Essen abgewischt werden muss. Innert Stunden legt sich eine schwärzliche Staubschicht auf alles. Renuka, unserer Haushilfe, ist es zu verdanken, dass wir hier in Indien auch unserer Arbeit nachgehen können.

Renuka wird manchmal unterstützt von ihrer Freundin Cecilia. Die beiden sind nicht nur superexakte Putzfrauen, sie kochen auch ausgezeichnet. Ihre Egg-Stews sind legendär, und das Veg-Curry einsame Spitze. Sie besorgen auch den Einkauf, denn sie wissen, an welchem Marktstand sie die frischen Bohnen bekommen und wo die Curryblätter am besten schmecken. Vor allem kennen sie die Preise, wissen, wie man sich nicht über den Tisch ziehen lässt. So etwas wie Coop- oder Volg-Läden - mit festen Preisen und einem stetigen Sortiment - gibt es auch in der Millionenstadt Mumbai nicht. Der Bäcker verkauft Brot, der Gemüser Gemüse, im Trockenwarenladen gibt es Reis und Linsen und im Fischladen Meeresfrüchte. Und es hat, was es hat. Manchmal warten wir mehrere Tage auf ein Öl oder die Lieferung einer Sorte Reis. Das Shop-Hopping ist eine Morgen füllende Aktivität, und wenn etwas in einem Laden ausverkauft ist, ist es vielleicht im anderen erhältlich. Auch das Früchte- und Gemüsewaschen ist eine Wissenschaft. Da noch immer mehr als eine halbe Milliarde Menschen ihr Geschäft im Freien erledigen statt in einer Toilette, ist das Wasser grösstenteils mit Fäkalbakterien verseucht. Gemüse und Früchte müssen darum mindestens dreimal gewaschen werden – unter anderem in einem Spezialwaschmittel für Lebensmittel.


Wenn ich das alles alleine bewältigen müsste, wäre mein Tag mit der Versorgung meiner Familie ausgelastet. Meine indische Freundin beispielsweise hat sogar eine Waschfrau angestellt, denn sie wäscht alles noch von Hand. Nicht, dass sie sich keine Maschine leisten könnte. Das Problem ist das Wasser. Auch in einem privilegierten Quartier ist laufendes Wasser auf wenige Stunden am Tag beschränkt und so hat jedes Haus einen Wassertank, der während vier Stunden, an denen Wasser verfügbar ist, aufgefüllt wird. Und das muss reichen für die nächsten 24 Stunden: für das Duschen, Putzen und Waschen. In unserem Haus hat es glücklicherweise einen grösseren Wassertank als bei meiner Freundin und darum können wir mit der Waschmaschine waschen.

Wenn ich das und mehr meinen Schweizer Freunden erzähle, fragen sie meist: «Mensch, wie schafft ihr das alles?» Darauf gibt es nur eine Antwort: Dank meinen loyalen und fleissigen indischen Angestellten.

Ruth Bossart

Ruth Bossart ist Historikerin und lebt mit ihrem Mann und Sohn Samuel seit diesem Frühjahr in Bern. Zuvor berichtete sie für das Schweizer Fernsehen aus Indien. Laufen, Ski- und Velofahren gelernt hat Samuel in Pontresina und Zuoz, bevor die Familie 2010 nach Singapur und später in die Türkei zog. Jedes Jahr verbringen die Drei aber immer noch mehrere Wochen im Engadin – nun nicht mehr als Einheimische, sondern als Touristen.