09.10.2019 Carla Sabato 3 min
Eine Yogamatte gehört zu den wohl sperrigsten Dingen, die man mit sich herumtragen kann. Sie passt einfach in keine Tasche. Bild: Carla Sabato

Eine Yogamatte gehört zu den wohl sperrigsten Dingen, die man mit sich herumtragen kann. Sie passt einfach in keine Tasche. Bild: Carla Sabato

Niemand war da. Ich stand in kompletter Yoga-Ausrüstung in einem Park voller picknickender Menschen. Die schwarze Yogamatte ragte demonstrativ (weil einfach viel zu gross) aus meiner Polito-Fachverein Universität-Zürich-Tasche. Und das in Genf. Gut, es gibt vielleicht seltsamere Settings als dieses hier. Zumal mich auch niemand blöd ansah. Ich fühlte mich aber trotzdem unwohl - wie war ich bloss hierhin gekommen? Ganz einfach: Aus dem Bedürfnis, mich endlich sozial zu betätigen.
Wochenlang hatte ich die beinahe mehrmals täglichen Einladungen ausgeschlagen, die mich zu Picknicks, Partys, Facebook Plauderstunden oder Informationssessions begeistern suchten. Aber diese Veranstaltung klang endlich vielversprechend: Yoga im Park am Sonntagnachmittag bei strahlendem Sonnenschein. Sport und insbesondere Yoga waren mein Patentrezept für Integration. Erfolgreich getestet in Vancouver, im Engadin und in Zürich. Ich fasste mir ein Herz, stürzte in meine Yogakleider, packte hastig alles weitere zusammen und stieg in den Zug. Natürlich klappte nichts wie am Schnürchen. An der Bushaltestelle in Genf angekommen, war der Bus bereits weg, die nächste Verbindung liess mich zehn Minuten zu spät ankommen. In den Wochen, die ich bisher in Genf verbracht hatte, war ich wohl öfters zu spät gekommen als in den ganzen letzten drei Jahren in Zürich. Wir sprechen hier natürlich nur von einer Handvoll Verspätungen. Gemessen an meinem Immer-zu-früh-sein-Bedürfnis, war dieser neue Umstand doch bemerkenswert. Irgendwas schlich sich in Genf herum, das jeden gut durchgerechneten Zeitplan auf den Kopf stellte. Meistens stellte dieses Ding etwas mit den öffentlichen Verkehrsmitteln an, sodass trotz 45 Minuten zu viel eingeplanter Zeit trotzdem ein pünktliches Erscheinen nicht möglich war. Manchmal waren es aber auch die Ampeln, die ein effizientes Fortkommen verunmöglichten. Die funktionierten so langsam, dass ich schon oft dachte, sie seien kaputt. Witzigerweise schien das Ganze niemanden zu kümmern, weder mich noch andere, die sich vom Lärm meiner raschelnden Regenjacke nicht zu stören schienen, während ich viel zu spät auf einen Sitz im Vorlesungssaal kletterte. Aber zurück zum Thema: Ich war also zu spät dran um die Yogasession zu erreichen. Im Park angekommen hastete ich Wege um Wege ab, auf der Suche nach weiteren Yogapersonen. Ich konnte nichts derartiges sehen. Ich lief einmal im Kreis und legte auf dem höchsten Punkt des Parks eine Rast ein. Da stand ich nun, mit wehenden Haaren, den Park unter mir, den ich nach Yogis absuchte. Plötzlich fiel mir eine Gestalt auf, die eine Yogamatte trug. Sie stand neben drei weiteren Personen, die keine Yogamatte hatten. Hatte ich diese Frau nicht vorhin bereits an der Bushaltestelle gesehen? Irgendwas in mir wusste, dass diese Gruppe die besagte Yogastunde war. Mein Mut sank. Während mein Kopf noch in dieser Richtung verharrte, trugen mich meine Füsse bereits wieder in Richtung Ausgang. Ich hätte einfach hingehen können. Stattdessen lief ich nach Hause zurück, und legte mir unterwegs meine Erklärung für mein frühes Heimkommen zurecht: Niemand war da.

Carla Sabato

Carla Sabato ist Studentin, ehemalige Praktikantin bei der Engadiner Post, Hobbyfotografin (liebend gerne in der Dunkelkammer), stolze Vegetarierin, Yoga-Praktizierende, Verfechterin gemässigter Klimazonen, Frühaufsteherin, Hundehalterin, Pragmatikerin, schwarze Rollkragenpullover Trägerin, Teilzeit Existentialistin, Raus-aber-richtig-Frau, schlechte Autolenkerin und Möchtegern-Vancouverite.