12.08.2019 Bettina Gugger 3 min
Foto: Bettina Gugger

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Kürzlich wurde ich wegen meines berggastronomischen Arbeitstenues von einem Bekannten aus dem urbanen Unterland geneckt. Mit meiner Mc Donald’s Uniform habe ich mich vielleicht geschämt, damals mit siebzehn - die Hosen reichten Steve Urkel mässig eine Handbreite über den Bauchnabel - aber mit dem weissen leicht unförmigen Sweatshirt und der schwarzen Schürze und den streng zusammengebundenem Haaren? Ach was! Ich schlüpfe auch in Hasenkostüme, und die Hose können wir selbst auswählen. Und wie gesagt hat mein Stil im Engadin ohnehin gelitten, was am Wetter liegen mag, schliesslich trotzt man hier Naturgewalten. Es wäre vollkommen vermessen, die Blicke der anderen durch übermässiges Styling auf sich zu ziehen, es sei denn, man befindet sich gerade auf dem Golfplatz. Aber da befinde ich mich eigentlich nie. Der Bekannte wiederum irritierte mich mit seinem Freizeitlook, da ich ihn nur mit fein säuberlich gebügelten Hemden kenne. Ich mag Uniformen. Vertraute Gesichter in Uniformen mag ich doppelt. Und vielleicht entzückt uns der Effekt, dass sich uns bekannte Menschen mit durchschnittlichem und hohem Intelligenzquotient einer Kleidervorschrift unterordnen. Ich fühle mich viel weniger wohl bei Ärzten, die keinen Kittel tragen, als bei Ärzten mit Kittel; Uniformen vermitteln Autorität und Kompetenz. Im Winter war ich bei einem Chirurgen, der zwar einen weissen Kittel trug, aber bunte Socken und Turnschuhe. Damals war ich etwas irritiert. Jetzt sehe ich darin einen Akt des Widerstandes, schliesslich kämpfen die Götter in Weiss gegen die Saison bedingte Langeweile. Die Feriengäste bereichern nicht nur die Bergbahnen, Hotellerie und Gastronomie, sie sorgen auch für Arm- und Beinbrüche und schlimmeres, aber daran wollen wir jetzt nicht denken. Die Polizeiuniform. Der Klassiker schlechthin, wenn’s nicht grad die französische ist und man eine gelbe Weste trägt. Dann gibt es Menschen, die prädestiniert sind, Uniformen zu tragen. Ob Kochbluse oder Pilotenuniform, sie sehen stets aus wie Generäle. Das weibliche Pendant ist natürlich die Flight Attendant, gefolgt von der Krankenschwester. Die Vermutung liegt nahe, dass sich Berufsuniformen aus der militärischen Tradition speisen, ganz zu schweigen von den hierarchischen Arbeitsstrukturen in den genannten Arbeitsfeldern… Was es zu bedeuten hat, dass die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in ihrer Amtszeit als deutsche Verteidigungsministerin eine Bundeswehruniform für Schwangere eingeführt hat, kann ich jetzt auch nicht mit Bestimmtheit sagen; das Ende der Schwangeren als besonders schutzbedürftige Personen oder das Ende des Militärs, welches in Krisenzeiten die Bevölkerung zu schützen hat? Sollten wir also alle Uniformen abschaffen, um an den Hierarchien zu rütteln, die uns eben dieses ausbeuterische Wirtschaftssystem eingebrockt haben? Dass Kapitalismus und Sozialismus nahe beeinander liegen, und stets nur den Superreichen dienen, beweist einmal mehr die gemeinsame Vorliebe für Uniformen. Gebe es aber keine Uniformen mehr, zeigte sich gerade dadurch wiederum eine gewisse Uniformität der Menschen. Jeans, T-Shirt und Turnschuhe prägen grösstenteils das moderne Stadtbild. Und was geschähe dann mit den Postautochauffeuren? Freiwillig würden sie das hellgelbe Hemd bestimmt nicht weiter tragen. Und ihre dunklen Sonnenbrillen kämen in ziviler Kleidung weitaus weniger gut zur Geltung. Ich muss meiner Schwester, die mir dieses Thema vorgeschlagen hat, recht geben: Man kann stundenlang über Uniformen philosophieren. Die heiklen, emotional aufgeladenen Aspekte habe ich noch gar nicht beleuchtet...

Bettina Gugger

Bettina Gugger verbrachte die letzten Jahre im Engadin, zuletzt war sie Redaktorin bei der «Engadiner Post/Posta Ladina». Nun hat es sie wieder einmal ins Unterland verschlagen, wo sie für den «Anzeiger Region Bern» über das kulturelle Leben Berns berichtet. 2018 erschien ihr Erzählband «Ministerium der Liebe». 2020 folgte «Magnetfeld der Tauben». Im Rahmen eines Stipendienaufenthaltes in Klosters entstand der Kalender «Kunst BERGen», der 24 literarische Texte über Kunst versammelt. Auf bettinagugger.ch veröffentlich sie regelmässig kurze lyrische Prosatexte und einen Podcast für praktische Lebensfragen.