01.11.2018 Alexandra Wohlgensinger 4 min
Das Ergebnis von harter Arbeit und vielem Training: die Gratulationen im Ziel nach einem erfolgreichen Rennen. Foto: z. Vfg

Das Ergebnis von harter Arbeit und vielem Training: die Gratulationen im Ziel nach einem erfolgreichen Rennen. Foto: z. Vfg

«Herzlich willkommen im Leben als Profisportlerin.» So hiess es in einer Email, die mir jemand schickte, als ich meinen Job als Redaktorin bei der Engadiner Post aufgegeben hatte, um mich auf die Weltcup-Downhillrennen konzentrieren zu können. Profisportlerin, ich? Das brachte mich dann etwas ins Grübeln. Wo ist die Grenze zwischen ambitioniertem Hobbysportler und Profi? 
Geld, wäre da einmal ein Ansatz. Wenn man voll und ganz vom Sport leben kann. Ein Fussballer, eine Tennisspielerin, ein Golfer der oder die seine Millionen heim trägt, der oder die kann sich bestimmt Profi nennen. Andererseits gibt es unzählige Sportarten, in welche vielleicht nicht so viel Geld «gepumpt» wird und wo auch Top-Athletinnen und -Athleten in der Off-Season immer noch einer Arbeit nachgehen müssen. Wendy Holdener – WM-Goldmedaillengewinnerin – arbeitet anscheinend im Sommer im Service in einer Bergbeiz. Top-Freeskier kommen ohne Sommerjob nicht über die Runden. Und auch bei uns im Downhill können vielleicht die Top 3 Frauen und Top 5 Männer vom Sport leben. Und alle anderen Weltcupathletinnen und -athleten? Die rennen entweder nach dem Event nach Hause und sitzen danach wieder an einen Bürotisch, oder sie haben das Glück auch als 30-Jährige noch bei Mama und Papa zu Hause zu leben und sich nicht allzu sehr um Geld kümmern zu müssen. 
Ok, wenn sich der Profi also nicht über Geld definieren lässt, was ist es dann? Sponsoren! Wenn man Sponsoren hat, ist man dann Pro? Definitiv nicht! Gerade heute, in der Welt von Instagram und Selbstdarstellung, sind – ich spreche jetzt mal vom Bikebereich – sehr viele Sportler gesponsert, da sie sich gut zu verkaufen wissen. Der Sponsorenvertrag hat da herzlich wenig mit ihren Fähigkeiten zu tun sondern eher damit, wie viele Follower sie sich gekauft haben oder wie «herzig» sie ihre Haare geflechtet haben, wenn sie ein erneutes Selfie auf Social Media posten.
Ein Profisportler ist für mich der Athlet oder die Athletin, die sich mit voller Hingabe und unter Aufopferung vieler sozialer Nettigkeiten seinem Sport widmet, trainiert und sich mit den weltweit Besten der Besten in seiner Sportart misst. Oder der oder die in Highend-Filmproduktionen zu sehen ist. 
Und jetzt die Frage, die sogar mir schon einige Male gestellt wurde (anscheinend kann ich mich tatsächlich auch Profi nennen): Wie wird man Profisportler? 
Da gibt es meiner Meinung nach zwei Wege. Entweder man hat Glück und man hat Eltern, die von früh her die Stärken und die Ambitionen des Kindes erkennen und die mit all ihren Möglichkeiten unterstützen – finanziell, zeitlich, psychisch.
Hat man dieses Glück nicht, geht es trotzdem. Es braucht nur noch viel mehr Fokus und Willensstärke. Den Junioren-Jahren entwachsen, gilt es, die schwierige Balance zwischen Arbeit und Training zu finden. Wer sich finanziell absichern möchte, kann die Profisportkarriere sofort in den Wind schlagen. Denn das wenige Geld, welches man zwischen Training und Wettkämpfen verdient, geht gerade wieder für den Sport «drauf». 
Und ob man es dann an die Spitze schafft, hat sicher etwas mit Talent zu tun. Vielmehr hat es meiner Meinung nach mit Glück zu tun. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein und die richtigen Leute zum richtigen Zeitpunkt zu treffen. Die Topfahrer im Donwhillsport sind in riesigen Teams mit einer Entourage, die sich um alles kümmern. Alles was die Fahrerinnen und Fahrer noch tun müssen, ist ihr Bike so gut wie möglich am Wochenende zu fahren. Das Team ist jedoch nicht da, weil sie so gute Fahrer sind, nein, sie sind so gute Fahrer, weil sie ein Team um sich haben. Und um in ein Team zu kommen, geht es wiederum nicht darum, was du kannst, sondern wer du kennst – teilweise sogar auch, wie viel du bezahlst. 
Aber egal ob Team oder nicht, ob Profi oder nicht – es ist die Leidenschaft und die Freude, die entscheidend sind und die uns nach jedem Fall und Down wieder aufstehen und weitermachen lassen.

Alexandra Wohlgensinger

«Riding bikes is my life! Du bist mit Deiner ganzen Aufmerksamkeit nur hier und genau in diesem Moment, in dieser einen Sekunde. Alles was gestern war oder später sein wird, ist völlig egal.»
Nachdem ich mir einen Traum erfüllt habe und zwei Jahre lang mit meinem Bike durch die Welt gereist bin, kam ich wieder zurück ins Engadin, um mich auf meine Rennkarriere zu fokussieren.
Letzte Saison hatte ich genügend Punkte um beim UCI Downhill Weltcup mitzufahren. Sich zum ersten Mal mit den besten Downhillerinnen der Welt war eine unglaubliche Erfahrung.
Um dieses Jahr im Weltcup voll durchzustarten und mich voll auf die Rennen konzentrieren zu können, habe ich meine Stelle als Redaktorin bei der Engadiner Post aufgegeben. Gemeinsam mit Katze «Luna» und meinem Freund, der mich als Mechaniker, Coach und «Männchen-für-alles» unersetzlich bei den Rennen unterstützt, lebe und trainiere ich in Sta. Maria im Val Müstair.
Und wenn wir mit unserem Van «Verity» nicht gerade an einem Rennen oder im Training irgendwo in Europa sind, dann findet man uns ziemlich sicher in unserer so-quasi Zweitheimat Neuseeland.