30.10.2017 Franco Furger 4 min
Foto: Franco Furger

Foto: Franco Furger

Kann man hier auch schlafen? ist eine der meistgehörten Fragen auf der Segantinihütte. Nein, Gäste können hier nicht schlafen, dazu ist die Hütte viel zu klein. Für den Hüttenbuben jedoch gibt es eine enge und etwas stickige Schlafgelegenheit. Im Herbst, als die Temperaturen nachts unter Null sanken, zwängte ich mich mit Trainerhose, Sweatshirt, Mütze und zwei Bettflaschen in einen dicken Schlafsack und zog mir zusätzlich ein dickes Duvet bis zum Hals hoch. Nein, ich habe definitiv nie gefroren und immer sehr gut geschlafen – und vor allem: immer sehr viel. Im Durchschnitt mindestens neun Stunden, zum Teil auch elf Stunden am Stück. Herrlich. Warum so viel Schlaf? Ganz einfach: weil es auf einer Berghütte nicht viel anderes zu tun gibt, wenn es dunkel ist. Manchmal ging ich sogar schon ins Bett, wenn es noch hell war. Denn sobald die Sonne untergegangen ist, wird es auf 2731 Metern über Meer frisch. Also war ich in der Regel spätestens um 21.30 Uhr in meinem Schlafsack. Tagwacht war für den Hüttenbuben zwischen 7.00 und 7.30 Uhr (der Hüttenwart war meist schon um 6.00 Uhr auf, um Gerstensuppe zu kochen). Das ergibt eine Schlafzeit von zehn Stunden. Und die habe ich meist voll ausgenutzt. Herrlich. Zehn Stunden lang durchschlafen am Stück. Im Tal geht das nicht so leicht. Entweder lenken dich unglaubwürdige Krimis, lächerliche Arztserien oder langweilige Talkshows ab – was zwar entspannend sein kann aber letztlich doof ist. Oder das Smartphone und Tablet bringen dich mit Facebook, WhatsApp & Co. um die wohlverdiente Ruhe – was dämlich ist. Oder du vergisst die Zeit, weil du dich mit Freunden unterhältst – was vernünftig ist, wenn die Gespräche gut sind. Oder du liegst zwar im Bett, aber kannst nicht einschlafen, weil du die Arbeit mit ins Bett genommen hast und weiter grübelst – was besorgniserregend ist. Von all dem wurde ich auf der Hütte Gott sei Dank verschont. TV gibts nicht, die Freunde legen sich ebenfalls um 21.00 Uhr schlafen und die Arbeit bleibt in der Küche. Zugegeben, ins dämliche Smartphone guckte ich regelmässig, doch zum Glück gibts in meinem Nachtlager keinen Empfang. Genügend Schlaf ist ja bekanntlich gesund und soll glücklich und schlau machen. Denn während wir schlafen, erfolgen wichtige Regenerationsprozesse. Der Stoffwechsel wird reguliert, das Immunsystem gestärkt und Wachstumshormone werden ausgeschüttet. Das kann dir jeder Arzt und jede Gesundheitsseite im Internet bestätigen. Bedenklich bis dramatisch ist, was dir das Internet über Schlafmangel erzählt: Er kann Schwindel, Kopfschmerzen, Konzentrationsschwierigkeiten zur Folge haben, was noch einigermassen harmlos klingt. Aber was ist mit: schnellerer Hautalterung, Gewichtszunahme, Herzkrankheiten, Depression oder schrumpfendem Hirn! Im Prinzip wissen wir das ja alle, doch viele schlafen (wegen den oben genannten Gründen oder wegen Zeitmangel) trotzdem zu wenig. Einige, insbesondere Topmanager und andere Schaumschläger, behaupten, dass ihnen vier oder maximal fünf Stunden Schlaf reichen und prahlen: Schlafen kann ich, wenn ich tot bin. In der Tat, die Selbstmordrate von Topmanagern ist mindestens vier oder fünf Mal höher als jene von Hüttenbuben. Ich hingegen habe eine ganz andere Schlaftheorie entwickelt. Sie lautet als Kurzversion: Für dein Alter zählen nur die wachen Stunden. Es geht dabei um die Berechnung des biologischen Alters. Jeder kennt es: Wer raucht, säuft, übergewichtig ist, keinen Sport betreibt und zu wenig schläft, ist biologisch älter als seine Alterszahl. Wer sich gesund ernährt, Sport treibt, regelmässig Sex mit dem gleichen Partner hat und ausreichend schläft, ist biologisch jünger als seine Alterszahl. Entsprechende Tests gibt es zuhauf im Internet. Ich behaupte, man kann all die negativen und positiven Faktoren auf nur einen reduzieren: nämlich den Faktor Schlafzeit. Warum? Weil man im Schlaf nicht rauchen, saufen und sonstige Dummheiten machen kann. Und weil Sport müde macht und man Sex meistens im Bett hat. Letztlich bleibt die Anzahl Schlafstunden respektive die Wachzeit übrig, um das biologische Alter zu errechnen. Je mehr du schläfst, desto jünger bist du. Ein Rechenbeispiel verdeutlicht es: 
  • Normalschläfer: 7,5 h Schlaf,  Wachzeit von 16.5 h / Tag

  • Wenigschläfer:  6 h Schlaf, Wachzeit von 18h h / Tag

  • Vielschläfer: 9 h Schlaf, Wachzeit von 15 h / Tag
 Rechnet man die Wachzeit auf ein Alter von 43 Jahren aus (zufälligerweise mein Alter) ergibt dies: 
  • Normalschläfer: 258’258 h Wachzeit

  • Wenigschläfer: 281’736 h Wachzeit

  • Vielschläfer: 234’780 h Wachzeit
 Mit einem simplen Dreisatz (43 : Normalschläfer x Wenigschläfer) kann man leicht errechnen, wie hoch das entsprechende biologische Alter ist: 
  • Normalschläfer: 43 Jahre

  • Wenigschläfer: 47Jahre

  • Vielschläfer: 39 Jahre

Kurzum: Früh ins Bett gehen, lohnt sich – auch im Tal.

Franco Furger

Franco Furger ist in Pontresina aufgewachsen und hat am Lyceum Alpinum Zuoz die Matura absolviert. Danach tourte er als Profi-Snowboarder um die Welt und liess sich zum Journalisten ausbilden. Er arbeitete als Medienkoordinator bei Swiss Ski, Redaktor bei der Engadiner Post und World Cup Organisator bei der Corvatsch AG. Im Sommer 2017 bloggte Franco über seine Erlebnisse als «Chamanna Segantini-Hüttenbub». Die Liebe führte ihn dann in die Stadt Luzern, wo er die Sonne und die Bündner Berge vermisste. Nun lebt er als freischaffender Texter mit Frau und Sohn in Laax.